Band: Assignment
Album: Reflections
Spielzeit: 58:31 min
Stilrichtung: Progressive Metal
Plattenfirma: Massacre Records
Veröffentlichung: 21.08.2020
Homepage: www.assignment-music.com
Es gibt da so ein paar deutsche kleinere Progressive-Metal-Bands, bei denen man findet, was man bei den großen oft vergeblich sucht: Abkehr vom Technik-Fokus, dafür Songwritingskills – die Art von Progressive-Metal-Bands, deren Progressivität oftmals gar nicht akut wahrgenommen wird, weil sie nicht als Aufhänger stilgebend sondern als musikalisches Mittel eingesetzt wird. Als größeres Beispiel seien dabei MOB RULES genannt, ansonsten ANCIENT CURSE, die wir kürzlich hier besprachen. Auch ASSIGNMENT (ich höre mit diesem Album zum ersten Mal von denen) gehören offenbar zu dieser Sparte. Die Truppe hat ihr fünftes Album in den Startlöchern, mit dem Titel “Reflections”, einer knappen Stunde Spieldauer und einer Produktion, die die Handgemachtheit des Albums durchscheinen lässt. Das klingt nicht nach dem polierten, ultra-knallenden Standard-Progressive-Metal, aber es klingt authentisch und ist seinen oft etwas seelenlos klingenden Kollegen damit subjektiv in der Hinsicht ein Stück voraus.
Schon die ersten zwei Tracks bieten eine Überraschung. Progressive Metal ist oft ein wenig elitär und vermittelt viele Emotionen, doch Wut ist ein Zeichen von Schwäche und demnach selten im melodischen Teil des Genres. Doch Wut ist genau das, was einem insbesondere “Mercyful Angel” erbarmungslos um die Ohren haut. Highspeed, oldschool heavy/speed-metallisch anmutende Vocals – das passt zum Text über die NATO-Bombardierungen in Serbien und ist ein grandioser Einstieg. Gut, das Level an Aggression wird im Verlauf des Albums nicht mehr erreicht, es wird “klassischer” progressiv, mit zeitweisem Einsatz von Streicher- und Klaviersynths, seltener von digitalen. Und ganz hintergründig, ohne es dem Hörer groß unter die Nase zu reiben, eröffnet sich vor ihm ein wirklich smartes, mit Aufwand komponiertes Album, das mit einer beachtlichen Menge an geilen Parts und Arrangements daherkommt. Sei es der Aufbau von “Unknown Hero”, das unheilvoll mit Streichern und Klavier (im sehr unkitschigen Sinne) beginnt und dann an Fahrt gewinnt, das Richtung Ballade tendierende “Reflections”, die E-Drum-Akzente und die Melodieführung in “Corporate Men”: Die musikalische Ebene von “Reflections” ist durchgängig interessant und bietet immer wieder kleine Progisierungs-Faktoren, die in dem Genre heutzutage nicht zur Norm gehören. Und das, muss man einfach mal so sagen, ist die Definition von progressiv. Die ganze “Megafette Produktion, Gehacke, poppige Chorusmelodien, möglichst unnachvollziehbare Taktarten, mehr digitale Effekte und modernere Synths”-Schiene, die viele Vertreter des Genres schon seit einiger Zeit fahren, ist nicht mehr fortschrittlich (maximal im Produktions-Sinne), das ist Stagnation. Was ASSIGNMENT machen, ist intelligenter Heavy/Power Metal, der die Grenzen des Genres überschreitet, Altes auffrischt, Neues probiert, durchaus und gerade in textlicher Hinsicht damit Parallelen zu QUEENSRYCHE besitzt und versucht, ein paar neue Ideen mit bewährten Methoden ins Genre zu bringen. Das ist progressiv und dazu auf unüberhebliche Weise echt grandios geworden.
Fazit:
“Reflections” hat kleine Fehler über die man hinwegsehen muss. Aber die Produktion ist bei der Platte nichts, was den fehlenden Inhalt kaschieren könnte; das muss sie aber auch nicht. Wer Bock hat auf ein echt intelligent geschriebenes, mitreißendes und in seinem traditionellen Klang doch frisches Prog-Metal-Album mit gesellschaftlich/politschen Texten, der sollte sich mit der Platte im Spieler und dem Booklet in der Hand an den heimischen Kamin setzen oder, falls kein Kamin vorhanden ist, einfach bei “Mercyful Angel” irgendwas Brennbares anzünden und ersatzweise verwenden.
WERTUNG:
Trackliste:
01. Trilogia Balkanica
02. Mercyful Angel
03. Obsession
04. Corporate Men
05. Reflections
06. Submission
07. Timeline
08. Endlessly
09. Unknown Hero
10. Silent Nation
Jannis