Band: Derek Sherinian
Album: 5CD Re-Releases
Spielzeit: siehe unten
Genre: Progressive Metal / Fusion Metal
Plattenfirma: Armoury Records
Veröffentlichung: 07.02.2014
Homepage: www.dereksherinian.com
Den US-Keyboarder Derek Sherinian als einen vielbeschäftigten Musiker zu bezeichnen wäre wohl eine ziemliche Untertreibung. Der Mann hat die Bühnen der Welt bereits zusammen mit (u.a.) Alice Cooper, Kiss, Billy Idol, Yngwie Malmsteen und Joe Bonamassa bereist, war Mitglied bei Dream Theater, Platypus oder Black Country Communion und ist auf unzähligen Studioproduktionen zu hören. Das alleine nötigt schon enormen Respekt ab und lässt erahnen welchen Stand Sherinian innerhalb der Rock-Szene hat. Originelle, kreative Keyboarder sind da leider immer noch die Ausnahme und Sherinian, der laut eigener Aussage in erster Linie von Gitarristen beeinflusst ist und Eddie Van Halen zu seinen absoluten Faves zählt, ist einer der wenigen, die man sofort unter allen anderen heraushören kann. Tatsächlich gibt es nicht wenige Fans, die dem frühen Ausscheiden des damals angeblich zu exzentrischen Tastenmanns beim Traumtheater eine Träne nachwein(t)en. Neben all den genannten Verpflichtungen, für die andere wohl ihr letztes Hemd geben würden, hat es unser Held es sich aber nicht nehmen lassen mittlerweile bereits 7 Alben unter eigenem Namen herauszubringen. Die Gästeliste auf diesen Scheiben ist ein Who-Is-Who der Rockszene und rekrutiert sich in erster Linie aus seinen zahlreichen Arbeitgebern und deren Entourage. Armoury Records hat nun die Soloalben 2 bis 6 neu aufgelegt (Album No. 1 lief noch unter dem Band Projekt „Planet X“). Schauen wir uns das verlockende Paket doch mal etwas genauer an:
Inertia (2001)
Spielzeit: 46:55 min.
Gemeinsam mit Ausnahme Schlagzeuger Simon Phillips, der nicht nur die Drums einspielte, sondern auch noch gleich die Produktion und den Mix des Albums übernahm, tüftelte Sherinian nach seinem abrupten Ausstieg bei Dream Theater an seiner eigenen Vision von anspruchsvollem und unterhaltsamen Fusion Metal. Als Gäste sind Zakk Wylde, neben Bassist Tony Franklin (u.a. Blue Murder) die einzige Konstante auf allen hier besprochenen Platten, und Steve Lukather (Toto), dabei. Vor allem Lukather, der sich zur damaligen Zeit von einem kreativen Tief erholte, steuert einige seiner besten Linien seit Jahren bei und ist auch 13 Jahre später noch immer mächtig stolz auf das Album – zurecht. Wylde im Gegensatz klingt noch etwas gehemmt, sein Gitarrensound ist, gemessen am sonst üblichen Standard, etwas schwachbrüstig, was sich im Laufe der nächsten Alben noch ändern sollte. „Inertia“ ist das wohl homogenste Album in dieser Runde, vielleicht auch bedingt durch die Tatsache, dass nur eine kleine Zahl an Musikern an dem Projekt beteiligt waren. Anspieltipps sind die Lukather Highlights „Mata Hari“ (das Erinnerungen an selige Los Lobotomys Zeiten aufkommen lässt) und der furiose Titeltrack „Inertia“, sowie der von Wylde mit seinen einzigartigen Riffattacken veredelte … „Inertia“ ist einfach ein fabelhaftes Album, das dank der luftigen, transparenten Produktion völlig zeitlos klingt und in keine Schublade passt –außer vielleicht die mit guter Musik.
Black Utopia (2003)
Spielzeit: 45:02 min.
Zwei Jahre später war das Team Sherinian/Phillips wieder zusammen und werkelte bei ähnlicher Aufgabenverteilung an der nächsten Bombe. Neben Lukather und Wylde kamen als Gäste noch der unvergleichliche Yngwie Malmsteen, Akustik-Flitzefinger Al Di Meola und Bassvirtuose Billy Sheehan hinzu. Sherinians kühne Idee die amerikanische (Wylde) und die europäische (Malmsteen) Interpretation von Over-The-Top Gitarrenshredding aufeinanderprallen zu lassen findet seinen Höhepunkt in dem Track „Axis Of Evil“. Man muss natürlich Malmsteen‘s kompromisslosen Stil mögen um hieran seinen Gefallen zu finden – das tun nicht alle, auch wenn wohl niemand sein einzigartiges Talent verleugnen will. Auf „Black Utopia“ jedenfalls fräst sich der egozentrische Schwede wie ein rolliger Bluthund durch seine Soli, hinterlässt brennende Erde und findet im Booklet gar nette, ja schon respektvolle Worte für seine Gitarrenkollegen. Sachen gibt’s … Ein weiteres Highlight sind die Duelle zwischen Malmsteen und Al Di Meola, sowie den beiden Bassisten Franklin und Sheehan im Track „The Sons Of Anu“ – ein feuchter Traum für jeden Saitenfetischisten. „Black Utopia” fährt im Vergleich zum noch vergleichsweise verhaltenen Vorgänger mehr von Allem auf – mehr Soli, mehr Gastmusiker, mehr Virtuosität, mehr Power – darunter leidet zwar ein wenig die Homogenität, die musikalische Spannung ist aber mindestens ebenso hoch. Ebenfalls erwähnenswert sind natürlich Lukather’s gewohnt tadellose Phrasierungen und Al Di Meola’s Akustik-Showcase „Gypsy Moth“.
Mythology (2004)
Spielzeit: 45:52 min.
Für das nur ein Jahr später veröffentlichte „Mythology“ wurde dann kräftig am Personalkarussel gedreht: Neben den üblichen Verdächtigen (Zakk Wylde, Simon Phillips, Tony Franklin und Steve Lukather) steuerten nun Steve Stevens (mit dem Sherinian in Billy Idol’s Band spielt), John Sykes (ehemals mit Franklin bei Blue Murder aktiv), der Jazz/Fusion Gigant Alan Holdsworth sowie Bassist Marco Mendoza Ihren Teil zum Gelingen der Scheibe bei. Als neuer kongenialer Partner an Sherinians Seite sollte sich ab „Mythology“ Schlagzeuger Brian Tichy etablieren. Tichy ist quasi der Sherinian unter den Drummern: der Junge ist unfassbar talentiert und wechselt die Engagements wie andere die Unterwäsche (u.a. Stevie Salas, Whitesnake, Billy Idol). Als Kontrast zu dem eleganten Simon Phillips (immer der perfekte, britische Gentleman) hielt nun auch fettes Rock/Power-Drumming Einzug. Außerdem übernahm Tichy zusammen mit Simon Phillips die Co-Produktion und lässt mit seinem Gitarrenspiel (!) in dem Track „Trojan Horse“ auch dem geübteren Gitarristen gepflegt die Kinnlade auf den Boden knallen. Die Songs und der Sound sind gewohnt gutklassig und Tracks wie das von Stevens´ geschmackvollen Flamenco-Spiel verzeirte „El Flamingo Suave“ oder der Holdsworth / Wylde Kracher „Day Of The Dead“ sollte der weltoffene Rock-Hörer auf jeden Fall mal gehört haben. Auch eine konzeptionelle Neuerung ist zu vermelden: Mit „The River Song“ ist erstmals ein (okayer) Song mit Gesang (Zakk Wylde) vertreten.
Blood of the Snake (2006)
Spielzeit: 52:56 min.
Das 2006 erschienene, stellenweise erstaunlich harte „Blood of the Snake“ führt den Abwechlungsreichtum des Vorgängers fort und kann mit einer ganzen Riege an hochkarätigen Gastmusikern Eindruck schinden: im gewohnt starken Opener „Czar Of Steel“ gibt sich Sherinians ehemaliger Bandkollege John Petrucci die Ehre, Yngwie Malmsteen und Zakk Wylde kämpfen weiterhin um die Metal-Lorbeeren („Blood Of The Snake“, „The Monsoon“) und dass Brad Gillis (Night Ranger) ein formidabler Gitarrist ist, war Fans schon klar. Aber dass er auch auf eher ungewohntem Terrain eine solch gute Figur abgeben würde überrascht dann doch. In „Been Here Before“ und dem smooth, jazzigen „On The Moon“ macht er die Abwesenheit von Steve Lukather kaltschnäuzig vergessen und liefert fantastische, flüssige Lines, verziert mit seinen Trademark-Whammy-Bar Kapriolen, ab. Für weitere Abwechslung, bzw. Auflockerung sorgt Saxophonist Brandon Fields in dem tollen „Phantom Shuffle“. Der Show-Stopper der etwas anderen Art ist zum Abschluss der Mungo-Jerry Track “In The Summertime”, intoniert von Billy Idol und veredelt von Slash mit seinem ureigenen Sound und Feeling. Auch Zakk Wylde darf wieder einen Track singen, der Wylde-typische Rocker „Man With No Name“ ist gut, aber nicht spektakulär. „Blood of the Snake“ mag ein wenig zerfahren wirken, ist aber unterm Strich ein starkes, toll produziertes Scheibchen mit jeder Menge Farben und Stimmungen.
Molecular Heinosity (2009)
Spielzeit: 39:43 min.
Die bisher vorletzte, von Sherinian im Alleingang produzierte, Solo-Scheibe hört auf den ungewöhnlichen Namen „Molecular Heinosity“ und ist mittlerweile 5 Jahre alt. Von der gewohnten Stammbesetzung sind diesmal noch Zakk Wylde, Tony Franklin und Brian Tichy übrig. Hinzugekommen sind Virgil Donati an den Drums, der mit Sherinian auch bei Planet X zusammen frickelt, sowie die technisch zwar unerhört fähigen, aber leider auch reichlich austauschbaren Shredder Rusty Cooley und Taka Minamino an den Gitarren. Irgendwie war bei „Molecular Heinosity“ die Luft raus, bzw der Wurm drin. Von dem grandiosen Eröffnungstrippel „Antarctica / Ascension / Primal Eleven“ mal abgesehen, in dem Sherinian und seine Planet X Kollegen Donati und der unglaubliche Fusion-Gitarrist Brett Garsed mit traumwandlerischer Sicherheit ein forderndes, breitwandiges Prog-Monstrum auftürmen, kann keiner der restlichen Songs wirkich begeistern. Das, was die bisherigen Scheiben so interessant und auch mehrmals hörbar machte – der Abwechslungsreichtum und der Mut zum Vorwitz – sind hier nirgends zu finden. Stattdessen wird in typischer Genre-Manier drauflos geholzt. Was die Gitarristen hier abziehen ist natürlich atemberaubend, aber auch blutarm und ohne jegliche Seele. Somit ist „Molecular Heinosity“ zwar nicht schlecht, aber doch unter dem Level der Vorgänger Alben anzusiedeln.
Die Zielgruppe für diese Veröffentlichungen dürfte man Natur aus ja recht begrenzt sein: Keyboarder und, in erster Linie sogar, Gitarristen, sowie Fans der beteiligten Musiker bzw. der bisherigen Arbeitgeber Sherinians, die einfach aus Neugierde wissen wollen was der Gute so in den letzten Jahren getrieben hat. Eine ganze Menge, das dürften (nicht nur) die vorliegenden, toll aufgemachten Re-Releases bezeugen. Jede Neuauflage wurde mit neuen Liner-Notes aufgepimpt, die zwar etwas knapp ausgefallen sind, aber einen spannenden Einblick in die Entstehung der Platten gibt und das Ganze mit einigen Original-Zitaten von beteiligten Musikern aufpeppen. Für Freunde des härteren Stoffs bieten sich in erster Linie die Alben „Black Utopia“ und „Blood of the Snake“ an, denn hier ziehen Zakk Wylde und Yngwie Malmsteen so richtig vom Leder und zeigen den Möchtegern-Guitar-Heroes wo der Frosch die Locken hat. Bezeichnend für den Menschen und Musiker Sherinian ist wohl die Tatsache, dass es auf seinen Soloalben in erster Linie um das Featuren von Gitarristen geht – der Chef hält sich dezent im Hintergrund und das macht die Scheiben auch für Metal-Heads, die nicht unbedingt auf instrumentale Musik stehen, außerordentlich interessant.
WERTUNG:
Insertia
Black Utopia
Mythology
Blood Of The Snake
Melocular Heinosity
Trackliste:
Inertia (2001)
01. Inertia
02. Frankenstein
03. Mata Hari
04. Evel Kneivel
05. La Pera Loca
06. Goodbye Porkpie Hat
07. Astroglide
08. What a Shame
09. Rhapsody Intro
10. Rhapsody in Black
Black Utopia (2003)
01. The Fury
02. The Sons of Anu
03. Nightmare Cinema
04. Stony Days
05. Starcycle
06. Axis of Evil
07. Gypsy Moth
08. Sweet Lament
09. Black Utopia
Mythology (2004)
01. Day Of The Dead
02. Alpha Burst
03. God Of War
04. El Flamingo Suave
05. Goin To Church
06. One Way Or The Other
07. Trojan Horse
08. A View From The Sky
09. The River Song
Blood of the Snake (2006)
01. Czar Of Steel
02. Man With No Name
03. Phantom Shuffle
04. Been Here Before
05. Blood Of The Snake
06. On The Moon
07. The Monsoon
08. Prelude To Battle
09. Viking Massacre
10. In The Summertime
Molecular Heinosity (2009)
01. Antarctica
02. Ascension
03. Primal Eleven
04. Wings Of Insanity
05. Frozen By Fire
06. The Lone Spaniard
07. Molecular Intro
08. Molecular Heinosity
09. So Far Gone
Mario