Band: Lancer
Album: Lancer
Spielzeit: 46:40 min
Plattenfirma: Doolittle Group
Veröffentlichung: 18.01.2013
Homepage: www.lancermetal.com
Liebe LANCER Boys, mit euren schicken bunten Plastikleder Anzügen und Videos der Sorte „so bad it’s almost good“. Ja, ich gebe es zu, auch ich liebe IRON MAIDEN. Mehr noch, ich verehre die Band, knie täglich nieder vor meinem IRON MAIDEN Schrein und neige mein Haupt in Ehrfurcht. Jungens, ich kann euch echt verstehen, wir rutschen vor demselben Altar herum. Kein Thema. Und ja, da scheinen wir uns auch einig zu sein, es kann eigentlich nicht genug IRON MAIDEN Musik auf dieser Welt geben. Niemals. Never ever. Aber muss man, wenn das Herz nach neuem IRON MAIDEN Stoff lechzt, den dann gleich selbst machen? Oder sollte hier nicht auch immer noch die Devise gelten: ES GIBT NUR EIN IRON MAIDEN? Und das ist auch gut so?
Wer sich schon immer gefragt hat, wie IRON MAIDEN geklungen hätten wenn sie sich nach dem Split von Dickinson mit dem gerüchteten Michael Kiske (anstatt der Gurke Blaze Bayley) zusammen getan hätten, bekommt hier endlich seine Antwort. Und das meine ich tatsächlich genauso wie es geschrieben steht, denn die Eckdaten dieser ersten LANCER Scheibe sind schnell abgehakt: 75% IRON MAIDEN, 20% German Speed Metal (ok, nennen wir das Kind beim Namen: HELLOWEEN) und der Rest kommt aus der Asservatenkammer des 80er Hair-Metal (mit besonderem Augenmerk auf den Bombast-Chören von EUROPE aus der „Out of This World“-Phase). Hier wird munter ein Zitat an das andere geheftet. Das ist teilweise schon befremdlich wie IRON MAIDEN (instrumental)Parts im Akkord rausgehauen werden die problemlos auch auf „Powerslave“, „Somewhere In Time“ oder IRON MAIDEN Alben neueren Datums stehen könnten („The Exiled“ und „Between The Devil And The Deep“ seien mal als krasseste Beispiele genannt). Wenn man mal zur Abwechslung nicht IRON MAIDEN huldigt, dann müssen halt HELLOWEEN herhalten wie in dem speedigen „Mr. Starlight“ oder dem mit einem Ohrwurm-Chorus ausgestatteten „Young & Alive“.
Das klingt jetzt auf dem Papier schon mal alles andere als gut und ich habe in einem Review, das eigentlich der Band LANCER gewidmet ist, bereits 10 mal den Namen IRON MAIDEN bemüht. Aber, Butter bei die Fische, genau das ist es, was den Hörer bei dieser Scheibe erwartet: IRON MAIDEN Blaupausen bis zum Abwinken, manchmal dermaßen dreist geborgt, dass es einem ob der vermeintlichen Kreativflaute im Hause LANCER schon ein wenig gruseln darf. Eigentlich kann man so etwas als ernsthafter Metalhead, oder zumindest IRON MAIDEN Fan, nicht gut finden. Eigentlich sollte man solch ein Produkt meiden wie der Teufel das Weihwasser. Nicht drüber sprechen, Ihr wisst schon, vielleicht bemerkt’s dann keiner …? Eigentlich. Was aber, wenn das Ganze dann doch, trotz aller Gegenargumente, unerwartet gut reinläuft? Was, wenn das Alles so furchtbar over-the-top käsig ist, das es schon fast wieder Stil hat? In Zeiten, in denen die Qualität einer Band oft nur noch daran gemessen wird wie true, authentisch oder okkult das Image ist, egal ob die Musiker Ihre Instrumente unfallfrei halten können oder nicht, kommt mir eine Band wie LANCER ganz gelegen. Von Outfit, über Performance und Songwriting (naja, gut, der Begriff hinkt ein wenig) bis zur Produktion ist alles so was von fake, dass ich das schon wieder erfrischend finde. Denn lieblos zusammengeschustert ist die Platte auf keinen Fall: die Gitarren duellieren sich als wäre Janick Gers zum letzten mal von der Bühne gestolpert und IRON MAIDEN hätten noch einen Gitarristen-Spot zu besetzen, Sänger Isak Stenvall hat zwar bei Weitem nicht die Range und das Charisma eines Michael Kiske, liefert aber eine absolut überzeugende Leistung ab. Nein, das Herz haben LANCER schon am rechten Flecken und ihre Instrumente beherrschen die Jungs auch ganz ordentlich. Gut geklaut ist besser als schlecht erfunden? Von mir aus gerne.
Ich hake das Album jetzt mal als mein ganz privates „guilty pleasure“ ab und verrat‘ auch keinem, dass ich mir das Teil von Zeit zu Zeit in den Player hieve und zwischen Schenkelklopfen und Kopfschütteln mit Inbrunst die durch die Bank starken Refrains mitschmettere. Das Video zu dem Track „Purple Sky“ (unbedingt googeln) sagt eigentlich schon alles und nüchtern betrachtet hat sich mit dem arg verunglückten Schunkelschlager „Seventh Angel“ auch wirklich nur ein richtiger Stinker aufs Album geschlichen. Da LANCER aus Ihren Einflüssen und Motiven keinen Hehl machen und mit Ihrem ersten Album ein herrlich kitschiges Gute-Laune-Album abgeliefert haben, komme ich um eine positive Bewertung einfach nicht herum. Für den eklatanten, ja schon brutalen Mangel an eigenen Ideen gibt es zwar einen ganz fetten Punktabzug, völlig abraten kann ich von der Scheibe aber definitiv nicht.
WERTUNG:
Trackliste:
01. Purple Sky
02. The Exiled
03. Young & Alive
04. Seventh Angel
05. Don’t Go Changing
06. Dreamchasers
07. Mr. Starlight
08. Déjà vu
09. Between The Devil And The Deep
Mario