Band: Dream Theater
Album: The Astonishing
Spielzeit: 130:18 min
Stilrichtung: Progressive Metal
Plattenfirma: Roadrunner Records
Veröffentlichung: 29.01.2016
Homepage: www.dreamtheater.net
Seit der Schnarchveranstaltung „Octavarium“ scheinen DREAM THEATER ihrer ursprünglichen Bestimmung verzweifelt hinterher zu laufen. Eigentlich liefern die Jungs um Mastermind und Gitarrenlegende John Petrucci seit Jahren das immer wieder gleiche Album ab. Auf hohem Niveau, zugegeben. Aber der Weggang von Gründungsmitglied und Drum-Ikone Mike Portnoy hat der Kreativität und Individualtät der Band nicht wirklich gut getan. Nun versucht die Band sich also an einem weiteren Konzept-Album, nachdem man mit dem Karriere-Highlight „Metropolis: Scenes from a Memory“ eigentlich schon seinen überaus wertvollen Beitrag zum Thema geleistet hat. 34 Tracks bei einer Spieldauer von knapp 130 Minuten, das ist erstmal ein Statement und dürfte so manchem Diehard-Fan, die ja eh nicht genug von Ihren Idolen bekommen können, feuchte Augen bescheren. Die mediale Offensive, die die Band und das Label bereits seit Monaten fahren, lassen erahnen wie wichtig DREAM THEATER das neue Album ist. Auf die Rahmenhandlung gehen wir jetzt nicht genauer ein. Erstens lagen hierzu im Vorfeld nicht genug aussagekräftige Infos, noch die Texte vor. Und zweitens sollte eine Platte auch ohne Verständnis der Texte funktionieren. Operation MIndcrime kann man auch ohne die zugrundeliegende Story aufs Beste geniessen – let the music do the talking, also.
Wie es sich für ein cineastisch angelegtes Konzept Album gehört, wird „The Astonishing“ von einem instrumentalen Bombast-Intro eingeleitet. So weit, so erwartet. Was dann folgt ist eine Ansammlung von Songs, die zumeist eine reguläre Laufzeit aufweisen und regelmässig durch kurze Interludes verbunden werden. Das Ganze erinnert an die Dramaturgie eines Kinofilms, allerdings ohne irgendwelche peinlichen Sprechsequenzen (was so manch anderem Konzept-Album schon den Gar aus gemacht hat). Die gesamte Story wird über die Musik, bzw. die Texte erzählt. Die Zwischensequenzen, oft auch einfach nur sehr kurze Songfragmente, sind gekonnt organisch eingearbeitet und stören den Fluss der Scheibe zu keinem Moment. Allerdings, und da liegt der Hase eigentlich im Pfeffer, sind viele dieser Zwischentracks relativ gehaltlose Lückenfüller die nur selten den Status eines echten Songs erreichen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Grossteil des Songmaterials gediegene Balladen sind, von denen nur wenige wirklich ein erstklassiges Niveau erreichen (Ausnahmen sind z.B. die starken Anspieltipps „A Life Left Behind“ oder „Chosen“). Und dann sind da noch die „regulären“ Songs, um die es am Ende des Tages ja auch eigentlich geht. Insgesamt läuft das neue Songmaterial auffällig locker flockig durch. Das ist quasi DREAM THEATER light was die Band hier auftischt, alles klingt glatt und wie aus dem FF – Experimente sucht man vergebens. Die überzegendsten echten Songs, also Tracks die man sich auch bedenkenlos in eine Playlist schaufeln kann, sind das rockende „Lord Nafaryus“ in dem Sänger LaBrie überzeigend verschiedenen Charaktere/Gefühlsebenen zum Leben erweckt, der weit hinten platzierte, interessant arrangierte Kommerz-Rocker „Our New World“, der bereits vorab veröffentlichte straighte Track „The Gift of Music“ sowie das absolute Highlight der Scheibe : „Moment of Betrayal“. Bei insgesamt 34 Tracks eine insgesamt etwas magere Ausbeute. Ebenso mager wie der erneut enttäuschende Drumsound von Mike Mangini.
Auf der Plus-Seite darf vermerkt werden, dass Petrucci & Co. endlich noch mal einen Funken Mut zeigen – zumindest was da Konzept angeht. Das ist, nach den letzten, sämtlich auf Nummer sicher komponierten Scheiben, keine Selbstverständlichkeit. Erkauft wird dieser neue Mut zum Wagnis mit einem wenig massenkompatiblen Ergebnis. Neue Fans wird die Prog-Metal Institution mit „The Astonishing“ wohl kaum hinzugewinnen, die etablierte Fangemeinde dürfte aber auch diesmal wieder steil gehen. Allerdings gibt es auch eine Minus-Seite, und da hat sich über die 130 Minuten dann doch so einiges angehäuft: die Balladen, viele davon wenig mitreissend und nicht mehr als Füllermaterial, ziehen „The Astonishing“ streckenweise zu Boden, das wenig inspririerte, vorhersehbare Spiel von Mike Mangini hilft leider auch nicht viel, zumal der Drumsound auch diesmal wieder mehr nach Drumcomputer als nach echtem Schlagwerk klingt, und insgesamt wirken DREAM THEATER oft wie gesättigte, selbstzufriedene Nachlassverwalter und nicht wie die furchtlosen Pioniere die sie einmal waren.
Das Haupt-Problem am neuen Mammut-Werk ist halt die masslos übertriebene Spielzeit von gut über 2 Stunden. Mir, als altem Fan der ersten Stunde durchaus einiges gewöhnt, ist es beinahe unmöglich „The Astonishing“ am Stück durchzuhören. Was man aber tun sollte, denn ansonsten macht der dramaturgische Aufbau der Scheibe, die durchaus sehr überlegt gesetzte Setlist, keinen Sinn. Vielleicht hätten Pterucci und Keyboarder Jordann Rudess Ihre Mitstreiter etwas mehr ins Songwriting integrieren sollen anstatt alles im Alleingang durchzuziehen? Schwierig, schwierig. Es mag für das Erzählen der Geschichte unabdingbar sein, dass die Scheibe so lange dauert wie sie dauert und all die einzenen Teile beinhaltet – dem Hörgenuss ist dies aber nicht zuträglich. Ihr seht schon, ich laber und laber und komme doch nur recht selten zum Punkt – leider ähnlich wie „The Astonishing“, das grösstenteils toll umgesetzt ist, einige bärenstarke Songs bietet und keine Zweifel daran lässt, dass DREAM THEATER auch weiterhin relevante Musik machen wollen. Mit mutigem Prog hat die Band aber schon lange nichts mehr am Hut und „The Adtonoshing“ ist leider „nur“ ein weiteres gutes, aber bei weitem nicht erstklassiges Album geworden. Die 7 Punkte gibts für die zahlreichen guten bis sehr guten Ansätze. Als Gesamtwerk funktioniert „The Astonoishing“ nur bedingt.
WERTUNG:
Trackliste:
01. Descent of the NOMACS
02. Dystopian Overture
03. The Gift of Music
04. The Answer
05. A Better Life
06. Lord Nafaryus
07. A Savior in the Square
08. When Your Time Has Come
09. Act of Faythe
10. Three Days
11. The Hovering Sojourn
12. Brother, Can You Hear Me?
13. A Life Left Behind
14. Ravenskill
15. Chosen
16. A Tempting Offer
17. Digital Discord
18. The X Aspect
19. A New Beginning
20. The Road to Revolution
21. 2285 Entr’acte
22. Moment of Betrayal
23. Heaven’s Cove
24. Begin Again
25. The Path That Divides
26. Machine Chatter
27. The Walking Shadow
28. My Last Farewell
29. Losing Faythe
30. Whispers on the Wind
31. Hymn of a Thousand Voices
32. Our New World
33. Power Down
34. Astonishing
Mario