LUCID DREAMING Interview

Zweite Runde bei dem Metalopernprojekt LUCID DREAMING von ELVENPATH Gitarrist Till Oberboßel der sich damit einen langen Traum erfüllte mal etwas mit mehreren Gastsängern zu machen. Erneut fröhnen wir hier dem klassischen Power Metal mit Einflüssen von Metalopern und epischen Klängen. Ohne lange zu zögern nahm ich erneut Tills Gesprächseinladung an, leider dieses Mal aufgrund des Vorweihnachtsstresses nur per Email.

J.P: Hallo Till, erstmal vielen Dank das du mir erneut ein paar Fragen zu deinem Projekt LUCID DREAMING und vielleicht auch zu deiner Stammband ELVENPATH beantwortest.
Mir seid ihr ja mittlerweile bestens bekannt, für alle anderen Metalheads da draußen die dich noch nicht so kennen, stell dich und deinen Werdegang, sowie dein Projekt LUCID DREAMING doch einmal kurz vor?

T.O: Hallo Julian und vielen Dank für Dein Interesse an Lucid Dreaming. Ich bin ein Frankfurter Metalhead, der gerne die Gitarre schwingt und die Welt mit seiner Musik beglückt/terrorisiert (Nichtzutreffendes bitte streichen). Meine Hauptband ist Elvenpath, welche nun schon seit 2002 die Flagge des Power Metal hochhält. Zusätzlich habe ich mit Lucid Dreaming noch ein Studioprojekt, welches quasi mein persönliches kleines Avantasia darstellt, haha. Hier veröffentliche ich Konzeptalben, wobei jedem Charakter der Geschichte eine Gesangsrolle zukommt. Man könnte also von einer „Metaloper“ sprechen, aber da ich diesen Begriff nicht mag, spreche ich lieber von einem Konzeptprojekt.
2013 wurde das erste Lucid-Album „The Chronicles Pt. I“ veröffentlicht, nach vier Jahren ist nun der zweite Teil draußen.

J.P: Erneut hast du sehr viele Sänger aus der Underground Szene am Start. Wie lange hat es gedauert bis du alle zusammen hattest und gab es welche die du nicht bekommen hast?

T.O: Das hat ziemlich lange gedauert, auch wenn ich jetzt keinen genauen Zeitraum nennen kann. Bei derart vielen Personen verliert man schon mal den Überblick, haha. Als die Songs fertig waren, war auch klar, daß ich insgesamt elf Sänger und Sängerinnen benötigen würde. Fünf davon standen von vornherein fest, da diese Charaktere bereits beim ersten Album auftauchten und ich die Stimme natürlich beibehalten wollte. Und für die anderen sechs habe ich eine Liste mit mehreren Wunschkandidaten pro Rolle aufgestellt. Da gab es auch die eine oder andere Absage, aber im Endeffekt konnte ich jede Rolle mit einer Person von dieser Liste besetzen. Ich mußte also auf keine Notlösung zurückgreifen.

J.P: Erzähl doch mal kurz wie kam denn der Kontakt zu den einzelnen Sängern zu Stande und wie lief die Zusammenarbeit so ab? Hast du alle persönlich getroffen? Besonders würde mich das bei Jiri Valter interessieren, der sich ja ziemlich rar gemacht hat und auch sonst als sehr „speziell“ bekannt ist?

T.O: Ich bin recht umtriebig im Underground, gehe viel auf Konzerte und suche Kontakt zu anderen Bands. Da hat man dann schon ein großes Netzwerk. Manche kannte ich also schon vorher, manche habe ich direkt persönlich angesprochen – Alexis von Hürlement z.B. habe ich in Athen beim Up The Hammers angelabert und wir waren beide alkoholisiert genug, um zu wissen, daß wir gemeinsam das großartigste Konzeptalbum aller Zeiten erschaffen würden, hehe. Glücklicherweise war er aber auch nach der Ernüchterung gerne mit an Bord. Und andere habe ich über das Internet kontaktiert. Dank des asozialen Netzwerks mit dem blauen Daumen ist ja jeder gut erreichbar.
Daß BigBoss (alias Jiri Valter) zugesagt hat, war für mich schon ein gewisser Höhepunkt, da ich ihn und seine Musik seit langem verehre und er mit Power Metal ja üblicherweise nicht in Verbindung gebracht wird. Bei den Aufnahmen habe ich ihn zum ersten Mal persönlich getroffen und mich gefreut, ihn als sympathischen, offenen Menschen kennenzulernen. Die Aufnahmen mit ihm fanden im Dezember in seiner Heimatstadt Brno in Tschechien statt. Ein zauberhafter Ort mit schwermütig-slawischer Atmosphäre.

J.P: Wieder einmal bedienst du dich als lyrischen Background den Büchern von Lloyd Alexander „The Chronicles of Prydain“. Worum geht es denn dieses Mal genau und stehen uns somit noch mehrere Teile ins Haus? Ich bin kein Kenner dieser Buchreihe, aber ich gehe mal davon aus das es bestimmt mehr als zwei sind : )

T.O: Die Chroniken von Prydain sind eine Pentalogie, bestehen also aus insgesamt fünf Bänden. Während das erste Album die beiden ersten Bände vertont hat, beschäftigt sich das zweite Album mit dem vierten Band „Taran Wanderer“. Die Hauptfigur Taran durchstreift hier das Land Prydain, um das Rätsel um seine Herkunft zu lösen und seine Wurzeln zu ergründen. Allerdings tauchen da so viele interessante Charaktere auf, die ich nicht weglassen wollte, daß ich nicht fertig geworden bin. Daher wird das dritte Album die zweite Hälfte des Bandes behandeln.
Wie man sieht, habe ich den dritten Band ausgelassen und auch der fünfte wird unbehandelt bleiben. Nicht weil ich sie nicht mögen würde, aber ich habe mir quasi meine Rosinen herausgepickt. Es war nie geplant, die Chroniken lückenlos zu vertonen, und nach drei Alben ist das Thema auch genug abgefrühstückt, glaube ich. Ich würde gerne noch weitere Alben mit Lucid Dreaming veröffentlichen, aber da soll es dann um andere Themen gehen.

J.P: Wenn man deinen Facebook Bildern glaubt wurde erneut ziemlich viel bei dir daheim eingespielt oder sogar eingesungen, ist das richtig? Stell ich mir recht schwierig vor gerade mit den vielen Gastmusikern bzw. Sängern?

T.O: Wir haben einen Teil der Sänger hier in Frankfurt aufgenommen, die Instrumente wurden ebenfalls in verschiedenen Heimstudios eingespielt, die Drums im Studio von Uwe Lulis. Diejenigen Sänger, welche weiter weg wohnen, haben ihre Parts dann ebenfalls in ihren lokalen Studios eingesungen. Ich war also nicht immer präsent. BigBoss wollte allerdings, daß ich zu ihm nach Tschechien fahre und mit ihm zusammen aufnehme. Die Gelegenheit habe ich natürlich gerne wahrgenommen.
Insgesamt ist ein derartiges Projekt somit gezwungenermaßen ein riesiger Flickenteppich, bei dem es mitunter schon eine Herausforderung ist, den Überblick zu wahren, haha. Und natürlich muß beim Mix dann darauf geachtet werden, daß es trotzdem alles irgendwie wie aus einem Guß klingt.

J.P: Bei der Produktion des Albums hatte Uwe Lulis einen großen Anteil dran. Wie kam der Kontakt mit ihm zu Stande und wie lief denn die Produktion so ab?

T.O: Uwe wohnt seit vielen Jahren in der Nähe von Frankfurt und wir kennen uns schon länger. Wir haben das letzte Elvenpath-Album ja bei ihm im Studio aufgenommen und waren so zufrieden, daß ich auch den Mix und das Mastering für Lucid Dreaming in seine Hände gelegt habe. Außerdem haben wir die Drums bei ihm aufgenommen und er hat auch ein paar Gitarrensoli eingespielt.
Nachdem alles aufgenommen war, hat er also die ganzen Daten bekommen und dem Album seinen finalen Sound verpaßt. Man darf den Mix nicht unterschätzen – das ist eine zeitaufwendige Detailarbeit, die sich ganz schön ziehen kann. Insbesondere wenn man wie ich einen Hang zur Detailverliebtheit mitbringt, haha. Aber Uwe kennt das ja schon und hat natürlich selbst auch ein Interesse daran, daß das Endergebnis zu gut wie möglich ist. Und ich glaube, das Album kann sich mehr als hören lassen.

J.P: Gehen wir mal auf ein paar Songs von „The Chronicles Pt II“ ein. Für mich sind „Who Am I”, “Cantrevs of Prydain”, “The Fate of Fools”, “My Land of Pain” sowie “Summers End” die hervorstechenden Songs. Willst du uns über diese ein bisschen was erzählen? Hast du eigentlich auch irgendwelche Favoriten auf dem Album?

T.O: Eigene Favoriten habe ich nicht. Das Album gehört für mich als Gesamtkunstwerk zusammen, welches ich mir auch nur am Stück anhöre. Aber es ist ja auch vollkommen in Ordnung, wenn andere Hörer Lieblingssongs entdecken. Bei Dir ist das ja gleich das halbe Album, hehe. Da Du nach Details gefragt hast, sind hier meine spontanen Gedanken zu den Stücken:
„Who Am I“ – Stand in seinen Grundzügen schon, bevor das erste Album veröffentlicht war. Schöne Gitarrenharmonien, hymnischer Refrain, ein akustisches Wiedersehen mit den vom ersten Album bekannten Hauptcharakteren. Tarans Aufbruch zu einer Odyssee durch Prydain auf der Suche nach seiner Herkunft.
„Cantrevs of Prydain“ – Schöner 3/4tel-Groove, tolle Strophen und Bridges von Rogue und Alexis, nicht zu vergessen Buddys unvergleichliche Performance, welche übrigens der erste für das Album aufgenommene Gesangspart war. Taran trifft auf die Cantrev-Fürsten Goryon und Gast, die viel Schein und wenig Sein zu bieten haben und ihn lehren, daß adliges Geblüt nicht immer Garant für edle Persönlichkeit ist.
„The Fate of Fools“ – Geht gut nach vorn, sehr feine Melodiegitarren, eine markerschütternde Gesangsperformance von Tann, dem Meister mit der Barbarenstimme. Taran und Gurgi treffen auf den Banditen Dorath und seine Spießgesellen…eine schmutzige Geschichte.
„My Land of Pain“ – Ein langer Song mit vielen verschiedenen Stimmungen, vom Akustikpart bis zum Thrasher, wodurch die Handlung musikalisch erzählt/symbolisiert wird. Toller Gesang von Bigboss, sehr hymnischer Refrain, der auch auf eine AOR-Platte passen würde, haha. Taran und Gurgi treffen auf den Bauern Craddoc, welcher sich schließlich als Tarans Vater entpuppt. Oder?
„Summer’s End“ – Eine melancholische Ballade zum Abschluß mit großem Finale, bei welchem Ruth mich fast um den Verstand sang. Taran beschließt, in Craddocs Tal zu bleiben, da er sich als sein Sohn dazu verpflichtet fühlt – obwohl es dem Tod all seiner Hoffnungen auf ein besseres Leben gleichkommt. Das Album endet offen, mit einem Cliffhanger. Wer wissen will, wie es weitergeht, muß auf die dritte Scheibe warten oder kann auch einfach das Buch lesen, was ich sowieso nur empfehlen kann.

J.P: Im Promosheet steht das du mit dem neuen LUCID DREAMING Album etwas mehr in die Richtung Power Metal gehen wolltest, was ich absolut bestätigen kann! Ist das der größte Unterschied zur ersten Scheibe oder siehst du da noch mehr?

T.O: Der Satz mit „less cheese, more metal“ aus dem Promozettel stammt von mir, soll aber eher eine Abgrenzung zu anderen Konzeptprojekten wie Avantasia darstellen, mit welchen ein Projekt wie Lucid Dreaming natürlich schnell verglichen wird, obwohl da musikalisch große Unterschiede bestehen. Die meisten dieser Konzeptprojekte sind eher symphonisch orientiert, mit viel Keyboards und großen Chören. Lucid Dreaming hingegen ist gitarrenlastiger und metallischer.
Das erste Album war sicherlich schon reiner Power Metal. Allerdings sind mir die Gitarrenparts beim Debut rückblickend oft zu simpel und etwas langweilig, das wollte ich ändern und habe daher bei den neuen Songs bewußt darauf geachtet, die Gitarren anspruchsvoller zu gestalten. Daher gibt es weniger offene Akkorde und mehr echtes Riffing, wodurch auch nochmal eine zusätzliche Portion Härte hinzukam. Das dürfte der größte musikalische Unterschied sein, abgesehen natürlich von der anderen Sängerauswahl.

J.P: Das letzte Album erschien über Limb Music, mit dem neuen Album bist du bei STF Records unter Vertrag. Warum kam es zu diesem Labelwechsel, vor allem weil mir selbst das Label (noch) ziemlich unbekannt war? Wie hast du deine Auswahl getroffen und hattest du noch andere Angebote?

T.O: Limb wollte das zweite Album nicht veröffentlichen, da er es nicht mochte. Wahrscheinlich gab es auch wirtschaftliche Gründe, aber das weiß ich nicht genau. Also habe ich Promos rausgeschickt und versucht, einen neuen Vertrag an Land zu ziehen. Es gab mehrere Angebote, von denen das von STF das fairste war. Ein persönliches Treffen mit dem Label hinterließ ebenfalls einen guten Eindruck, so daß ich ohne Bedenken dort unterschrieben habe. Was ich auch nicht bereut habe.

J.P: Ich möchte wieder die Chance nutzen und auch ein bisschen über deine Hauptband ELVENPATH sprechen. Euer letztes Album erschien 2015 und fiel erneut richtig klasse aus! Wie sehen denn die Pläne bei deiner Stammband aus, wann kann man mit neuem Material rechnen und glaubst du das es erneut in Eigenregie erscheint oder willst du nun mal mit der Erfahrung von LUCID DREAMING über ein Label veröffentlichen?

T.O: Wir bereiten derzeit das neue Album vor und wollen es 2018 aufnehmen. Die Veröffentlichung ist dann für Anfang 2019 geplant. Natürlich könnte ich jetzt irgendwelche großen Töne über das bevorstehende bislang beste Elvenpath-Album o.ä. spucken, aber das überlasse ich dann den Rezensenten, haha.
Ob es eine Label- oder Eigenveröffentlichung wird? Mal sehen, ich gehe aber von einer Eigenveröffentlichung aus. Die Herangehensweisen für Lucid Dreaming und Elvenpath unterscheiden sich hier, da das eine ein Studioprojekt ist und das andere eine Band, die viel auftritt. Konzerte sind die beste Werbung und gleichzeitig die beste Gelegenheit, CDs zu verkaufen. Wenn man wie wir üblicherweise 20 und mehr Gigs im Jahr spielt, verkauft man da deutlich mehr als über andere Kanäle. Daher brauchen wir kein Label, zumal man heutzutage als kleine Band sowieso kein Budget bekommt und Studio, Cover etc. selbst bezahlen muß. Finanziell wäre eine Labelveröffentlichung für uns ein größeres Verlustgeschäft als eine Eigenveröffentlichung.
Da bei einem Studioprojekt hingegen der Konzertfaktor natürlich wegfällt, muß ein Album hier anders beworben und vertrieben werden. Da wiederum erachte ich eine Labelveröffentlichung als passender.

J.P: Du bist ja, logischerweise, ein guter Kenner der Metalundergroundszene, die ja nach wie vor nicht Tod zu bekommen ist! Gibt doch unseren Lesern einen kleinen Einblick in die aktuelle Lage der Szene und vielleicht hast du ja auch ein paar Bandtipps die man auf keinen Fall verpassen sollte?

T.O: Aktuelle Lage der Szene? Es gibt immer was zu jammern, haha. Aber ich glaube, man kann sich nicht beschweren. Es gibt unheimlich viele gute Bands, unheimlich viele Veröffentlichungen und Konzerte/Festivals. Natürlich ist auch viel Schrott dabei, aber keiner kann sich beschweren, daß es nicht genug Qualität in der Szene gäbe. Wer das behauptet, sollte sich einfach mal ein wenig umhören. Außerdem ist es mittlerweile möglich, mit wenig Geld eine ordentliche Qualität abzuliefern, wodurch Bands unabhängig von Labels und Wirtschaftsinteressen ihre Musik veröffentlichen können.
Der Nachteil ist natürlich, daß viele Bands trotz hoher Qualität in der Masse untergehen, weil kein Mensch mehr den Überblick hat. Aber das ist eben so und jeder muß schauen, wie er mit dieser Situation zurechtkommt, die sich ohnehin nicht verändern wird.
Ein paar kleinere Bands, die wahrscheinlich noch nicht so bekannt sind, kann ich gerne empfehlen: Riverroth (Serbien, Thrash Metal), Shotgun (Liechtenstein, Thrash Metal), Seven Thorns (Dänemark, Power Metal), Arès (Frankreich, Heavy Metal), Desperation (Belgien, Heavy Metal), Funeral Inception (Indonesien, Death Metal), Strident (Südafrika, Power Metal), LadyAxe (Südafrika, Power Metal), Dragonrider (Jordanien, Power Metal)…ok, die Liste könnte ich noch deutlich verlängern, hehe. Deutsche Bands habe ich bewußt weggelassen, da diese hierzulande ohnehin etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen als im Ausland.

J.P: Vielen Dank Till für deine Zeit und die interessanten Antworten im Zuge dieses Interview! Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft, die letzten Worte gehören natürlich dir.

T.O: Vielen Dank an Dich, daß ich Lucid Dreaming hier vorstellen durfte und für die interessanten Fragen. Vielen Dank auch an alle, die sich das alles bis zum Ende durchgelesen haben! Hört mal in das neue Album rein und kauft es, wenn es Euch gefällt, statt es illegal runterzuladen. Hörns up und stay Metal!

Julian

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