STEVEN WILSON – Hand.Cannot.Erase

Band: Steven Wilson
Album: Hand.Cannot.Erase
Spielzeit: 65:44 min
Stilrichtung: Progressive Rock
Plattenfirma: Kscope/Edel
Veröffentlichung: 27.02.2015
Homepage: www.swhq.co.uk

Nach dem (durchaus überraschenden, aber nicht minder verdienten) Erfolg der 2013er Scheibe „The Raven That Refused To Sing“ legt STEVEN WILSON nun endlich seine dritte Solo-Platte vor. Das fantastische Ensemble, das bereits den Vorgänger eingespielt und Wilson auch live bei der Umsetzung zur Seite stand ist auch diesmal wieder dabei, inklusive dem Schlagzeug Unikum Marco Minnemann und Wundergitarrist Guthrie Govan. WILSON ist klug und kreativ genug nicht die Erfolgsformel von „The Raven …“ wiederholen zu wollen und schlägt auf dem Konzeptalbum „Hand.Cannot.Erase” zwar nicht gänzlich neue, aber doch grundlegend andere Töne an. Was geblieben ist, sind die unwiderstehlichen Melodien, die zahllosen kleinen im Hintergrund versteckten Details sowie eine musikalische Darbietung zum Niederknien. Zudem ist es WILSON gelungen den bereits fantastischen Klang der letzten Scheibe nochmal zu toppen. „Hand.Cannot.Erase” perlt dermaßen formvollendet aus den Boxen, dass ein mp3 File einer Beleidigung der Musik und des Hörers gleichkommt. Egal ob die Band gerade in einem wilden Moment ein waschechtes Metal-Riff raushaut oder in sphärischen, mit Drum-Loops unterlegten Ambient Sounds schwelgt – immer trifft die astreine Produktion den Nagel auf den Kopf. Hier macht sich wohl auch die Beschäftigung WILSON’s mit dem Remix der Tears For Fears Scheibe „Songs From The Big Chair“ aus dem letzten Jahr bezahlt.

Wer den Vorgänger ins Herz geschlossen hat, wird sich auch bei „Hand.Cannot.Erase” gleich zu Hause fühlen. Allerdings ist die Platte insgesamt schwerer zu greifen und erschließt sich, trotz in sich abgeschlossener Tracks, nur als Gesamtwerk zur Gänze. Einzelne Songs hervorzuheben fällt daher schwer, zumal diese im Zusammenhang viel effektiver funktionieren als für sich allein. Die Atmosphäre ist ebenso düster wie die auf „The Raven That Refused To Sing“, was nicht nur an der zugrundeliegenden Geschichte über eine einsam verstorbene junge Frau, sondern auch an der Klangästhetik liegt, die immer wieder deutlich Ihre Verwurzelung in der britischen Musiktradition zeigt. Viele der verwendeten Loops und Sounds erinnern an Bands wie Tricky oder Massive Attack. Der klassische Prog-Rock in der Tradition von King Crimson und Co, auf dem Vorgänger immer präsent, fehlt hier völlig. Stattdessen verknüpft WILSON fragile Melodiebögen, die gekonnt über die Dauer der Scheibe platziert sind, mit seiner typischen Mischung aus vertrackten Einfällen und Soundspielereien. Neue Farbtupfer bringt die israelische Sängerin Ninet Tayeb ein, die den Songs eine weitere, dezente Facette hinzufügt und der Geschichte um Verlust, soziale Isolation und urbane Einsamkeit zusätzliche Tiefe verleiht. Wer bei Songs wie „Perfect Life”, oder dem wahnwitzige Haken schlagenden Doppelschlag „Home Invasion“ und „Regret #9“ nicht zutiefst dankbar für jede Minute dieser Scheibe den Klängen lauscht, hat den Sinn und die Magie von Musik aus den Augen verloren. Selbst grandioser Pop gelingt Wilson mit Leichtigkeit: den Titelsong hätten die Manic Street Preachers zu Ihren großen Zeiten nicht besser hinbekommen.

Völlig anders als „The Raven That Refused To Sing“ und doch (beinah) genau so schön ist sie geworden, die neue STEVEN WILSON Platte. Es dürfte schwer sein unter den aktuellen Veröffentlichungen etwas qualitativ vergleichbares zu finden – sowohl was die Songs, die musikalische Darbietung als auch die Produktion angeht. STEVEN WILSON ist zurzeit tatsächlich das Maß, an dem sich alle anderen Prog-Schaffenden zu messen haben. Der Hype ist zur Abwechslung also mal gerecht.

WERTUNG:


Trackliste:

01. First Regret
02. 3 Years Older
03. Hand Cannot Erase
04. Perfect Life
05. Routine
06. Home Invasion
07. Regret #9
08. Transience
09. Ancestral
10. Happy Returns
11. Ascendant Here On…

Mario

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