Band: Gamma Ray
Album: 30 Years – Live Anniversary (DVD)
Spielzeit: 100:00 min
Stilrichtung: Power Metal
Plattenfirma: earMUSIC
Veröffentlichung: 10.09.2021
Homepage: www.facebook.com/gammarayofficial
(Rezension bezieht sich auf die DVD-Version) Livestreams – die schwache Alternative zu einem richtigen Konzert und größtmöglicher, während in sich leider doch kleiner, Segen in dieser verfluchten Zeit. Nun, ein GAMMA-RAY-Mitschnitt ohne Publikum ist weniger sehenswert als einer mit Publikum, aber sehenswerter als keiner, dachte ich mir, als “30 Years – Live Anniversary” zur Verfügung gestellt wurde, übernahm das gute Stück für ein Review, und bin nun überfordert.
Zuerst kurz zum Drumrum: Die Bühne sieht ziemlich edel aus, der Backdrop-Screen wechselt zwischen unterschiedlichen Artworks, die Bildqualität ist edel. Kameratechnisch ist die Sache professionell und gut in Szene gesetzt, wirkliche Close-Ups sind zwar quasi nicht vorhanden (mal nur ein Kopf z.B.) und vielleicht wäre ein bisschen mehr Action in der Kameraführung drin gewesen, aber das Resultat ist nichtsdestotrotz ein höchst ansehnliches Stück Bildkunst. Der Sound ist für einen Livestream echt gut, ebenso die Leistung aller Musiker, die sauberst spielen und singen. Durch Frank Beck als inzwischen nicht mehr ganz neuer Erst/Zweit-Sänger erfahren einige Songs vor der Beck-Ära ein paar zusätzliche und passende Melodielines und immer wieder hat man die Songs durch minimale Ergänzungen im Sound konstruktiv von der Studioversion abgehoben, was ja wichtig ist, wenn man nicht nur das Album-Erlebnis in Live-Sound bieten möchte.
Die Songauswahl ist immer Geschmackssache, ein paar Alben bleiben zwangsläufig außen vor, doch sollte dieses 13-Song-Klassiker-Massaker eigentlich jeden Fan zufriedenstellen.
Bis dahin ist “30 Years – Live Anniversary” schonmal ein sehr sehenswerter Mitschnitt. Was die DVD/Blu-ray jedoch noch einmal eindrücklicher macht, ist letztendlich – und leider – das Fehlen von Publikum in Kombination mit dieser Band, ihrer Spielfreude und Bühnenchemie. Ob die Kamera einmal rausfährt und den Blick auf den leeren Publikumsbereich zulässt, ob einer der Sänger das nicht vorhandene Publikum erfolglos zum “Hey Hey”-Rufen animiert oder ob “Land Of The Free” beginnt und keiner jubelt: Diese leidenschaftlich-positiv-fröhliche Musik, gespielt von einer Band, der man wirklich anmerkt, wie sehr sie die Rückkehr auf die Bühne genießt, in Kombination mit eingespieltem Applaus, den Fans vorher aufnehmen und einschicken durften; diese Geburtstgspartystimmung, und kein Gast durfte kommen und nun macht man trotzdem das allerbeste daraus – es ist verdammt schön und verdammt traurig zugleich. So sitzt man also vor dem Fernseher und fühlt sich, als würde man ein Kind beobachten, dem man all seine Spielzeuge weggenommen und Monate später einen verranzten Teddy gegeben hat, wie es sich übertrieben über den Teddy freut, mit einer fast unmerkbaren Menge an Schwermut.
Es ist schwer zu beschreiben, aber neben seinem absoluten Entertainmentlevel und der grandiosen Darbietung dieser nicht minder grandiosen Songs schafft “30 Years” es in seiner Gesamtheit, seinen Betrachtern noch einmal eindrücklich vor Augen zu halten, von welcher emotionaler Relevanz ein richtiges Konzert mit Publikum für Fans wie auch für Musiker ist, und wird in 10 Jahren ein Zeitzeugnis der vielleicht dunkelsten Phase der Live-Kultur sein, die man hoffentlich glücklicherweise bis dahin überwunden hat.
Fazit:
Schwerste Kaufempfehlung, auf jeden Fall in einer Version mit Video. Kurz vor dem nächsten GAMMA-RAY-Konzert anschauen, dann zum Konzert gehen, all den Spaß haben, den man die letzten Jahre nicht haben konnte und der Band die Liebe und Wertschätzung geben, die ihr beim ihrem Livestream nur durch Chat-Nachrichten und voraufgenommenen Applaus zuteil werden konnte. Wie könnte man diese Pathosrezension nun noch richtig cheesy beenden, wenn nicht mit einem “The Silence”-Zitat: “Carry on and make our dreams come true. And for a little while we stay together.” Hoffentlich bald wieder, Freunde. Hoffentlich bald wieder.
WERTUNG:
Trackliste:
01. Dethrone Tyranny
02. New World Order
03. Empathy
04. Avalon
05. Master Of Confusion
06. Rebellion In Dreamland
07. Land Of The Free
08. Lust For Life
09. One With The World
10. The Silence
11. Heading For Tomorrow
12. Armageddon
13. Send Me A Sign
Jannis