ANGRA – Cycles Of Pain

Trackliste:

01. Cyclus Doloris
02. Ride Into The Storm
03. Dead Man On Display
04. Tide Of Changes – Part I
05. Tide Of Changes – Part II
06. Vida Seca
07. Gods Of The World
08. Cycles Of Pain
09. Faithless Sanctuary
10. Here In The Now
11. Generation Warriors
12. Tears Of Blood

Spielzeit: 58:34 min – Genre: Progressive Metal – Label: Atomic Fire Records – VÖ: 03.11.2023 – Page: www.facebook.com/angraofficialpage

 

Ist auch schon wieder fünf Jahre her, dass man ein neues Studioalbum von ANGRA in Händen halten durfte. Nun, das Warten ist vorbei, „Cycles Of Pain“ ist da, das zehnte Album in der 30-jährigen Karriere der Brasilianer. Wobei man Sänger Fabio Lione (RHAPSODY und so) nicht unbedingt als solchen bezeichnen kann.
Knappe Stunde Spieldauer, guter Sound, nur ein Song unter fünf Minuten, wie sich das für Progressive Metal gehört.
Apropos Progressive: Ist die Platte auf jeden Fall, aber in einem gesunden Rahmen. Man traut sich viel 4/4tel-Takt und bleibt allgemein zugänglich für normalsterbliche Hörer, hält es aber auch nicht zu einfach. Die Produktionsqualität ist hoch (schon das sakrale Intro ist klanglich wie kompositorisch sehr authentisch), soweit stimmt schonmal alles.
Tatsächlich hat man sich jedoch entschieden, zwei der weniger interessanten Tracks an den Anfang zu setzen. „Ride Into The Storm“ beginnt, macht sein Ding und endet, ohne große Höhepunkte und ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. „Dead Man On Display“ bietet nicht wesentlich mehr, aber: Danach geht’s steil aufwärts und so gestaltet sich der erste Hördurchgang als Vielzahl von positiven Überraschungen nach einem schwächeren Beginn. Sei es der zündende Drei-Ton-Chorus von „Gods Of The World“, der positive Grundvibe bei Songs wie „Faithless Sanctuary“ und „Here In The Now“, der schöne Einsatz von Percussion bei „Vida Seca“ und so weiter: „Cycles Of Pain“ hat eine Vielzahl von tollen Momenten zu bieten, und nach Track 3 auch soweit keine Lückenfüller mehr. Lediglich bei „Tears Of Blood“ könnte man sich darüber beschweren, dass die wunderbare Gruselfilm-Musical-Atmosphäre vom Anfang für eine schmalzige Duettnummer aufgegeben wird, aber man kann auch nicht alles haben, nicht wahr?
Handwerklich ist die ganze Sache eh optimal, Fabio liefert eine gewohnt starke Leistung und auch der Rest der Truppe kann sich in Sachen Erfahrung und Skill absolut sehen lassen. Was insgesamt letztendlich bedeutet:

Fazit:
„Cycles Of Pain“ mag einen durchwachsenen Einstieg haben (aber macht Euch selbst ein Bild, gibt ja bestimmt Gründe, warum man „Ride Into The Storm“ zur Hauptsingle auserkoren hat), gibt dann aber alles und ist für Freunde des orchestral angereicherten melodischen Prog Metals mit guten Melodien und angemessenem Härtefaktor ein absolut vertrauenswürdiges Ding!

Anspieltipps:
Die „Tide Of Changes“-Songs, „Cycles Of Pain“ und Gods Of The World

Jannis

SKY EMPIRE – The Shifting Tectonic Plates Of Power – Part 1

Trackliste:

01. Prolegomenon: The Encomium Of Creation
02. On The Shores Of Hallowed Heaven
03. The Emissary
04. Into My Father’s Eyes
05. Wayfarer
06. The Last Days Of Planet Fantasy
07. House Of Cards

 

 

Spielzeit: 65:30 min – Genre: Progressive Metal – Label: ViciSolum Productions – VÖ: 27.10.2023 – Page: www.facebook.com/SkyEmpireMusic

 

Jeff Scott Soto ist wohl jemand, den viele Metal/Rock-Bands gerne als Sänger hätten. Dass er nun bei SKY EMPIRE hinter dem Mic steht, hat jedoch traurige Gründe – genauer gesagt den tragischen Tod von Sänger Yordan Ivanov kurz nach der Veröffentlichung des Debutalbums der Briten.
Der hat das Quartett/Quintett jedoch nicht aufgeben lassen, und nun ist man wieder zurück mit „The Shifting Tectonic Plates of Power – Part One“. Sieben Songs, über 60 Minuten Spieldauer, wie sich das für eine Prog-Rock/Metal-Band gehört. Musikalisch bewegt man sich auf denen irgendwo zwischen DREAM THEATER, HAKEN und klassischen Rock-Größen und hat die Platte gleich mal in den Abbey Road Studios mastern lassen.
Unerwarteterweise ist der Sound des Albums dennoch einer der Hautkritikpunkte, die sich vorbringen lassen. Der Klang fällt eher kraftlos aus, das Drumset ist gewöhnungsbedürftig. Die mächtigen orchestral unterlegten Parts sollten soundtechnisch mächtiger sein, als es die Produktion zulässt, und das Orchester klingt gerade in den Streichern doch eher computerig. Auch aus dem Vocals von Jeff hätte man einiges mehr herausholen können, das Ding wirkt klanglich einfach nicht wirklich rund.
Musikalisch ist „TSTPOP – P1“ in den nicht-instrumentalen Songs (das sind fünf von sieben) am besten. Gerade im 16-Minüter „House Of Cards“ mit seinem langsamen Aufbau und der Zeit, die er sich für einzelne Parts nimmt, kommt das Potenzial von SKY EMPIRE voll zur Geltung, ebenso im Zehnminüter „Wayfarer“. Damit beinhaltet das Album wesentlich mehr Seele und Gefühl für Atmosphäre und Hörkomfort als nach „Prolegomenon“ angenommen. Der Opener ist auch locker 15 Minuten lang, rein instrumental, und auf spielerischer und musiktheoretischer Ebene beeindruckend, aber in sich vielmehr Skill-Demonstration als funktionaler Einstieg in das Album und das, was es zu bieten hat.
Aber gut, nach dem Opener wird es besser, gerade die ruhigen Teile der Songs sind immer wieder mal wirklich schön und der Spagat zwischen Technik und Feeling soweit gut getroffen.
Wenn die klassischen Prog-Gesangsmelodien kommen, haben sie diesen positiv-nachdenklichen Spirit, den man gerne von ihnen haben möchte, so einige fettere Parts zünden ebenfalls und ganz ohne Zweifel wissen SKY EMPIRE genau, was sie da tun. Die großen Melodien, die Prog Rock/Metal dieser Art aber ebenso ausmachen, wie die technische Finesse, bleiben eher aus, wobei sie sich in „Wayfarer“ und „House Of Cards“ durchaus finden lassen.

Fazit:
Ein Opener, der das Album misrepräsentiert, ein eher unausgereifter Sound und eine etwas fehlgelagerte Technik/Melodie-Priorisierung trüben das Bild eines ansonsten schönen Prog-Albums mit guten Musikern und gutem Genre-Gespür. Für den Fan „smarter“ Musik lohnt sich ein Reinhören nichtsdestotrotz.

Jannis

COURSE OF FATE – Somnium

Trackliste:

01. Prelude
02. Morpheus‘ Dream
03. Wintersong
04. Blindside
05. Rememberance
06. Vile At Heart
07. Valkyries
08. Echoes
09. …Of Ruins

 

 

Spielzeit: 42:14 min – Genre: Progressive Metal – Label: ROAR! Rock Of Angels Records – VÖ: 25.08.2023 – Page: www.facebook.com/courseoffate

 

Die Wege des Schicksals sind manchmal seltsam. Da schreibt man in der Uni in Musikwissenschaft eine kleine Arbeit zu einem Lied der obskuren norwegischen Ex-Underground-Black-Metal-Band FIMBULWINTER, kontaktiert dafür einige der Mitglieder über Facebook, behält sie anschließend in der Freundesliste und bekommt dadurch irgendwann mit, dass eines der damaligen Mitglieder, Drummer Per Morten Bergseth, mit einer neuen Band unterwegs ist: COURSE OF FATE, deren letztes Album „Mindweaver“ hier bereits äußerst gut ankam. Und wie könnte es nicht? Ohne die Erwartungen zu hoch schrauben zu wollen, sind COURSE OF FATE irgendwie das, was herauskäme, wenn QUEENSRYCHE aus Norwegen gekommen wären. Das Sextett macht, auch auf ihrem neusten Release „Somnium“, ernsten melodischen Progressive Metal, dessen Progressivität niemals stört oder ablenkt („Haha, hier ist schon wieder eine Taktart, die Euch verwirrt und die Ihr niemals verstehen werdet!“), der hochmelodisch sein darf, ohne kitschig zu sein. Die Art, die ganz ruhige Parts ebenso zulässt, wie dichte aggressive, und die ihre Progressivität weniger aus übertriebener technischer Virtuosität zieht als aus der Fähigkeit, schon auf rein musikalischer Ebene eine Geschichte zu erzählen.
Und Leute, das ist ihnen gelungen. Musikalisches Können ist ebenso unzweifelhaft vorhanden wie produktionstechnisches, die Vocals klingen äußerst cool, die Keys und Klaviersounds sind nicht zu inflationär eingesetzt, aber dafür umso sinnhafter, und das Wechselbad der Gefühle zwischen unterschiedlichen Härtegraden wird jederzeit zusammengehalten von der typischen skandinavischen melancholischen Grundstimmung. Die wird noch einmal verdichtet von kleinen Sounddesign-Elementen, kurzen gesprochenen Parts oder auch einfach mal einem ganz ruhigen instrumentalen Intermezzo.
Der Cheese-Faktor ist bei alldem gleich null, obwohl viele der Melodien doch harmonisch sehr ausgefeilt sind, auch mal die ein oder andere Dur-Wendung mitbringen und nicht selten mal in ein bombastisches Gewand gepackt werden.
Einsamkeit und Unsicherheit sind dominante Themen auf „Somnium“, resultierend ohne Frage auch aus vergangenen Jahren, in denen diese Emotionen für viele wohl präsenter waren denn je. Das ist textlich gut verpackt, aber musikalisch eben auch schon so sehr, dass auch dem Nicht-Englisch-Sprecher die thematische Ausrichtung sehr schnell klar sein ürfte. Und die Melodien, die all das transportieren, sind dazu oftmals wirklich gut – nicht die Standard-Wendungen, aber auch nicht so weit davon entfernt, dass sie befremden würden.

Fazit:
Der eingangs aufgestellte Vergleich mit QUEENSRYCHE lässt sich zurückführen auf die Mischung von Progressivität und Leichtverdaulichkeit, auf die Ernsthaftigkeit von Texten und Kompositionen, das schlaue Songwriting, dass immer wieder die klassischen Schemata überwindet und das hervorgerufene Gefühl, hier hat eine Band auf jeglicher Ebene ihres Albums echt etwas zu sagen. All das sind wertvolle Eigenschaften für ein Album und COURSE OF FATE binden sie zu einer Platte, die nicht nur musikalisch geil ist, sondern auch emotional zu wirken vermag. Was bin ich dankbar, damals über FIMBULWINTER geschrieben zu haben!

Anspieltipps:
„Wintersong“, „Blindside“ und „Vile At Heart“

Jannis

HAKEN – Fauna

Trackliste:

01. Taurus
02. Nightingale
03. The Alphabet Of Me
04. Sempiternal Beings
05. Beneath The White Rainbow
06. Island In The Clouds
07. Lovebite
08. Elephants Never Forget
09. Eyes Of Ebony

 


Spielzeit:
62:11 min – Genre: Progressive Rock/Metal – Label: InsideOut Music – VÖ: 03.03.2023 – Page: www.facebook.com/HakenOfficial

 

Ihr öffnet das Internet ohne Erwartungen und seht mit freudiger Überraschung: Oh, wie schön, eine neue Rock-Garage-Rezension. Das klingt zu gut, um wahr zu sein, wo ist also der HAKEN? Nun, er ist genau in diesem Internet-wieder-schließen-würdigen Wortwitz. Ab jetzt wird’s besser, versprochen.
HAKEN wir zunächst einmal die Rahmeninfos zu HAKENs siebtem Album „Fauna“ ab: neun Songs, jeder mit Bezug zu einem bestimmten Tier (Rätselfreunde finden alle auf dem Prototyp-Prog-Albumcover), eine Stunde Spieldauer, eine Produktion, die nicht klinisch klingt, aber in ihrer Umsetzung absolut auf der Höhe der Zeit ist und, was seit einiger Zeit immer häufiger der Fall ist, durch kleine Kniffe im Handwerk die Hörerfahrung hintergründig intensiviert. Damit einher geht ein hervorragendes ergänzendes Sounddesign, aber all das ist erwartbar, schließlich sind HAKEN-Alben generell absolut makellos auf handwerklicher Ebene, inklusive des Musiktheorie-Wissens und spielerischen/gesanglichen Könnens der sechs Briten.
Musikalisch gibt es durchaus Abwechslungsreichtum hinsichtlich der einzelnen Songs. Besonders stechen „The Alphabet Of Me“ mit seinen Club-Synth-Sounds und den MARC-FOSTNERschen „Die Chöre sing‘ für Dich“-Chören heraus (was nicht negativ ist, schließlich mag man HAKEN ja auch wegen ihrer kleinen exzentrischen Entscheidungen und unkonventionellen Song-Bestanteile wie den Acapella-Parts im „Cockroach King“), sowie „Elephants Never Forget“, ein Track, den sich in der Form wohl nur HAKEN und Elefanten merken können.
Ansonsten ist „Fauna“ ziemlich genau das, was man von HAKEN erwartet. Taktarbeit, die keine Sau versteht – gibt es überhaupt eine Stelle auf „Fauna“, bei der alle Bandmitglieder gleichzeitig normalen 4/4tel-Takt spielen? – und dabei majestätische große Parts, „kleine“ zurückhaltende, auf die ein oder andere Weise eskalierende Mittelteile, 190er-IQ-Kompositionen, kleine humorvolle Stellen (Grüße gehen unter anderem raus an das „Ohehoh“ in „Lovebite“ und den albernen einzelnen Clap in „Island In The Clouds“) schöne Melodien und Harmonien, düstere Parts, unterschiedliche ergänzende Instrumente und Synths, und all das oft in recht schnellem Wechsel.
Kritik: Für HAKEN-Fans der ersten Stunde (oder zumindest früher Stunden) gibt es auf „Fauna“ tatsächlich nicht allzu viel Überraschendes. Die ganz großen Wow-Momente, die ein „Celestial Elixir“ mit sich brachte, bleiben aus, tatsächlich auch weitestgehend solche Songs, die einfach mal in einer Stimmung über tatsächlich längere Zeit zu verbleiben vermögen. Und auch die Ohrwurmdichte hat gefühlt abgenommen, hier habt sich für mich bislang lediglich der Chorus von „Nightingale“ hervor, was ein wenig schade ist, da HAKEN eigentlich sowohl Technik, als auch intelligente eingängige Melodien perfekt beherrschen, letztere auf „Fauna“ aber zugunsten ersterer ein wenig zu vernachlässigen scheinen. Aber gut, nach dem 20sten Hören ist das vielleicht ganz anders.

Fazit:
Wer immer bislang unter einem Stein lebte und HAKEN als Prog-Fan noch nicht kennt, wird an „Fauna“ wie an den anderen Releases der Band seine helle Freude haben. Das gilt ebenso für HAKEN-Fans, die gerne über das Können dieser Band staunen, sich mit Begeisterung eine Stunde lang in die ganz eigene Klangwelt dieser Band fallen lassen und sich von ihren Alben emotional durch die Songs treiben lassen. Das stärkste Album der Truppe ist es nicht, aber sie arbeitet halt auch auf einem Niveau, bei dem selbst Ihr schwächstes immer noch hervorragend ist.

Anspieltipps:
„Nightingale“, „The Alphabet Of Me“, „Beneath The White Rainbow“ und „Elephants Never Forget“

Jannis

EMOLECULE – The Architect

Trackliste:

01. eMolecule
02. The Architect
03. Prison Planet
04. Mastermind
05. Dosed
06. The Turn
07. Awaken
08. Beyond Belief
09. The Universal
10. My You
11. Moment Of Truth

Spielzeit: 69:54 min – Genre: Progressive Metal – Label: Century Media/InsideOutMusic – VÖ: 10.02.2023 – Page: www.facebook.com/emolecule_official

 

Optimismus für die Zukunft ist ja aus vielen unterschiedlichen Gründen momentan nicht unbedingt ein Trend. Lassen wir ihn an dieser Stelle einfach trotzdem mal zu: Ich glaube, 2023 wird ein hervorragendes Jahr für gute Musik, einfach weil die Alben, die ich im in diesem Jahr bislang rezensiert habe, im Schnitt verdammt gut waren – und weil EMOLECULEs „The Architect“ genau so weitermacht. Century Media, das Artwork, das kurze Anspielen eines Songs vor der Übernahme der Platte; all das war einerseits ein Grund zur Vorfreude, aber auch zur kleinen Sorge, dass hier Technik über Seele gestellt wird. Naja, sagen wir so, die Vocals bestätigen die Sorge minimal, sind sehr sauber aber weniger emotional. Aber hey, Herz steckt nichtsdestotrotz in „The Architect“.
Zuerst einmal zum Offensichtlichen. Was eine Produktion. Geil. Fett, glasklar, top, nix zu meckern. Das ist insbesondere wichtig, weil Programming/Sounddesign eine sehr wichtige Rolle beim Debutalbum des kanadischen Duos spielt. Elektronische Mittel werden großflächig eingesetzt und in all ihren Facetten ausgereizt, von diversen Synth-Sounds über Glitch-Effekte, E-Drums und Bass-Synths (natürlich nicht immer, aber eben da, wo es passt), Vocal-Effekts, Rises, die man normal eher aus Clubmusic kennt, etc. Alleine schon dadurch ist „The Architect“ ungeheuer detailreich und immer wieder überraschend. Kompositionstechnisch arbeitet man ebenfalls psychologisch smart, baut Songs nicht unbedingt konventionell auf, sondern macht sie zu einer unvorhersehbaren Erfahrung – soweit also irgendwie DEVIN-TOWNSENDisch mit weniger Peace & Love. Generell sind EMOLECULE in der ersten Hälfte des Albums weniger „radiotauglich“ unterwegs als in der zweiten, wo auch die ein oder andere poppige Melodie oder Halbballade stattfinden darf. Stark sind beide Hälften ganz ohne Frage. Und obgleich „The Architect“ sehr, sehr modern ausfällt (auf eine gute Weise), wird der Freund progressiven Rocks/Metals auch immer mal wieder eine kleine Rückbesinnung auf die Prog-Stile der letzten Jahrzehnte finden, bevor dann wieder irgendwas anderes Krasses passiert.
Kritik? Reduziert sich für mich persönlich auf den etwas nervigen Refrain des letzten Songs und darauf, dass einige Melodien ohne das ganze krank ausgearbeitete Drumrum doch unspektakulär ausfielen. Aber das ist, als würde ich einen leckeren Burger dafür kritisieren, dass er weniger lecker wäre, wenn ich ausschließlich die Brothälften essen würde.
Und natürlich: Hardliner mögen sich von den stilistischen Freiheiten, der großen Menge an Elektronik und den gleichzeitigen poppigen Ausflügen des Albums gestört fühlen („Das ist doch kein echter Metal“). Tja. Dann hört man’s halt nicht.

Fazit:
Sollte man aber, wenn man komplexe harte Musik mag, die ihren Selbstwert nicht aus „Du musst das mögen, weil Du nicht verstehst, was wir machen“ zieht, aus brutalem Programming einen dicken Unterhaltungsmehrwert rausholt, eine ganz eigene Atmosphäre entwickelt und bereit ist, Konventionen komplett hinter sich zu lassen. Und all das auf ganz hohem Niveau.

Anspieltipps:
„The Turn“, „Beyond Belief“, „The Universal“ und „eMolecule“

Jannis

MOONSCAPE – The Continuum Synergy

Trackliste:

01. Galileo’s Quest
02. Rude Awakening
03. A Rendezvous In Time
04. Elegy Of Lost Souls
05. If Heaven Knows My Name
06. A Visionary’s Fate
07. Beyond The Periphery

 

 

 

Spielzeit: 54:13 min – Genre: Progressive Metal – Label: Eigenveröffentlichung – VÖ: 20.01.2023 – Page: www.facebook.com/moonscapenorway

 

Keine Ahnung, ob die Bewertung akurat ist. „The Continuum Synergy“ des Quasi-Soloprojekts MOONSCAPE ist keines der Alben, bei denen man grobe Mankos und tolle Leistungen klar zusammenfassen kann, vielmehr gibt es viele kleinere Anlässe für Lob und Kritik. Daher erstmal allgemein: Hâvard Lunde aus Norwegen beweist auf seinem vierten Album viel Expertise, was Progressive Metal und Rock der neuen wie der alten Schule angeht. Nun hat er sich mit einer Riege von Gastsängern und -musikern zusammengetan und in Eigenproduktion ein Album mit ebendiesen Einflüssen gebastelt, das eine ambitionierte und große Science-Fiction-Story erzählt. Produktionstechnisch hätte man vor allem die Vocals noch etwas besser in die Musik integrieren können, sie liegen manchmal etwas darüber und sind in ihrer Tonlage auch mal ein wenig abseits der benötigten. Wie gesagt, etwas und ein wenig. Reicht das für Punktabzug? Weiß ich nicht. Dafür ist der mit echten Leuten aufgenommene Chor sehr gelungen. Aber man hat die Chance nicht genutzt, ihn dort als Backing Vocals einzusetzen, wo er echt sinnvoll gewesen wäre. Sehr gelungen und bereichernd, wenn er vorkommt, ist er trotzdem.
Angenehm hart ist die Platte auf jeden Fall, bringt einige miese Riffs und nicht zu wenig Geballer. Dann wiederum kommen darauf immer mal wieder Melodien, die bei einem solchen Album eigentlich etwas stärker hätten sein müssen. Einige sind aber auch entsprechend stark. Gut, dafür gibt es auch die viel zu klassisch power-metalligen Vibes in „Rude Awakening“, die echt deplatziert wirken. Aber wenn die dann von einem ruhigen Mittelteil beendet werden, folgt auf diesen wiederum genau der nächste Teil, der an der Stelle nötig und gut ist. Die langen Tracks (+10 Minuten) sind im Aufbau gelungen vielseitig. Eine sinnstiftende Struktur lässt sich in ihren ganz großen Kontext jederzeit finden (insofern, als dass zum Beispiel am Ende nochmal der Refrain kommt), ab und an aber nicht aber bei individuellen Entscheidungen, die gen „Hier sind fünf verschiedene Parts hintereinander, also ist es progressiv“ tendieren. Nicht immer, genug Gegenbeispiele vorhanden, bei denen ein neuer Part im Verhältnis zum alten richtig zündet.
Die Streicher klingen etwas künstlich. Die Bläser klingen absolut stabil.
Das ist nur ein Teil der Überlegungen zu „The Continuum Synergy“. Man merkt, viele Gedanken, viel Abwägen. Die schiere Vielzahl sowohl der lobenswerten als auch der zu kritisierenden Aspekte der Platte macht es schwer, die Summe der Teile zu betrachten.

Fazit:
Dann machen wir halt ein langes Fazit, atmen einmal tief durch und kommen klar. An sich ist „The Continuum Synergy“ ein gelungenes Prog-Album mit gesunder Härte, schönen ruhigen Parts, gutem Sounddesign, gutem Chor, okayer bis guter Produktion und einer dicken Menge an dahintersteckender Arbeit, wenn man bedenkt, dass das Ding quasi ein Soloprojekt ist. Bei der Produktion wäre ein zweites professionelles Paar Ohren noch wünschenswert gewesen, und die belangloseren Melodien hätte man, gerade in den längeren Tracks, noch ein bisschen runterkürzen können. Fans von progressivem melodischem Metal mit ein paar Oldschool- und Science-Fiction-Einflüssen sei geraten, sich mal selber ein Bild von der Sache zu machen, durch das Album zu skippen und hier und dort mal ein paar Minuten zu verweilen. Im Endeffekt liegt es an jedem Hörer selbst, als wie gravierend er die Macken von „The Continuum Synergy“ bewertet, wie sehr er die (echt nicht zu vernachlässigenden) geilen Aspekte des Albums feiert, und welche Endeinschätzung sich daraus ergibt. Grob und an die Progressive-Metal-Fans: Hört mal rein, hat Potenzial, gut zu gefallen – oder eben nicht. Mehr als zehn Minuten Zeit läuft man nicht Gefahr zu verlieren, und die sind die Chance auf eine gute Hörerfahrung doch allemal wert.

Anspieltipps:
„If Heaven Knows My Name“ (subjektiv bester Track des Albums) und „A Visionary’s Fate“

Jannis

OSYRON – Momentous

Trackliste:

01. Anunnaki
02. Dominion Day
03. The Deafening
04. Landslide
05. Sorrow And Extinction
06. Beyond The Sun
07. Awake
08. Momentous
09. Prairie Sailor
10. Beacons

 

Spielzeit: 55:20 min – Genre: Modern Progressive Metal – Label: Osyron/SAOL – VÖ: 04.11.2022 – Page: www.facebook.com/osyron

 

Modern Metal kann mit seinen Parallelen zu Metalcore schon bizarre Formen annehmen. Auf der einen Seite kann der Musik das letzte bisschen Seele aus dem Leib gesaugt werden, auf der anderen kann der nächste Drop so hart sein, dass es einem beim Mitnicken den Kopf 30 Zentimeter tief in den Boden rammt. So zumindest meine persönliche Wahrnehmung, weshalb es besonders ungewohnt anmutet, Elemente dieses Genres in Kombination mit Power und Progressive Metal zu bekommen. Hier sind sie nun mit OSYRON und ihrem neusten Release, „Momentous“. Will man dieses Album möglichst kompakt beschreiben, dann würde man es als ICED-EARTH-beeinflusst, etwas orchesteriger und dann ordentlich mit Modern-Metal- und Progressive-Elementen garniert bezeichnen. Dabei gibt es einen ordentlichen Anteil unklarer Vocals (bei „Landslide“ fast nur, außer im Chorus“), Progressivität hauptsächlich darin bestehend, dass die Instrumentalfraktion sehr technisch unterwegs ist. Klar, ab und an darf es auch mal klassischer sein, beispielsweise in der ersten Hälfte des überlangen Titeltracks, oder alternativ mit traditionellen Blastbeats, die nicht unbedingt repräsentativ für Progressive Metal sind, aber immerhin klassisch.
Neben den unmelodischen Parts gibt es aber auch (gefühlt mehr als 50%) melodieorientierte, mit feierlichen Refrains („Sorrow And Extinction“) oder ruhigen Anfangsparts – sowie einem ganz ruhigen Track mit „Prairie Sailor“.
Kritik lässt sich zum einen an der Produktion äußern: Der Snaresound fällt wirklich auf, weil er wirkt, als hätte man immer und immer wieder das genau gleiche Snare-Sample verwendet; wirkt wenig handgemacht, obwohl ich nicht unterstellen will, dass hier Angelo Sasso am Schlagzeug saß. Mixtechnisch verschwimmt auch das Orchester und einiges an Keyboards oftmals sehr im Hintergrund und man kann hin und wieder ahnen, dass da noch was Cooles abgeht, aber eben nicht ganz sicher sein.
Persönlich finde ich „Momentous“ am besten, wenn es die modernen Elemente zurückfährt. Der ICED-EARTHig beeinflusste Stil ist stark umgesetzt (so beispielsweise bei „The Deafening“, das so ganz nebenbei auch mit Ex-ICED-EARTHer Stu Block als Gast aufwarten kann) und schafft die Stimmung, die ich mir von einem Album wünsche, dessen Opener „Annunaki“ heißt. Währenddessen sind die meisten (insbesondere die ganz) modernen Parts eher das, was ich durchaus beeindruckend und gut auf’s Maul finde, was diese Platte aber eigentlich gar nicht in der Menge nötig hätte.

Fazit:
„Momentous“ ist ein cooles Album, dessen Stilmix Geschmackssache bleibt und das mit einigen kleinen Produktionsmakeln einhergeht. Aber aus der gegenteiligen Sicht von meiner betrachtet: Modern-Metal-Fans, die sich neben guter Technik auch über ein höheres Maß an fett-melodischeren und weniger modernen Bestandteilen in ihrer Musik freuen würden, könnten mit der neuen OSYRON eine wirklich gute Zeit haben

Anspieltipps:
„Sorrow And Extinction“, „Landslide“ und „Beyond The Sun“

Jannis

DEVIN TOWNSEND – Lightwork

Trackliste:

01. Moonpeople
02. Lightworker
03. Equinox
04. Call Of The Void
05. Heartbreaker
06. Dimensions
07. Celestial Signals
08. Heavy Burden
09. Vacation
10. Children Of God

 

Spielzeit: 55:59 min – Genre: Progressive Rock/Metal – Label: Inside Out Music – VÖ: 28.10.2022 – Page: www.facebook.com/dvntownsend

 

An die eine Person im Rock-Garage-Leser-Keis, die DEVIN TOWNSEND noch nicht kennt: Du hast jetzt fünf Minuten, um diese Rezension zu lesen, und dann gehst du los und verwendest LIGHTWORK als Einstiegsdroge. Denn nichts anderes ist die neuste Platte des – sagen wir es wie es ist – Genies aus Kanada. Man kennt den Frank Zappa des Progressive Metal einerseits für seinen absoluten Bombast, die mächtigsten Klangwände, die mit den damit einhergehenden Melodien für kompletten Gänsehaut-Overload sorgen, ebenso wie für seine Experimentierfreudigkeit, seine absolut seltsamen Ideen, die allesamt funktionieren, seine unkonventionellen Arrangements, Instrumentierungsentscheidungen, Songstrukturen. Ein gutes DEVIN-Album ist eine bunte magische Wundertüte voller Emotionen, voller Dinge, von denen man zuvor nicht wusste, dass man sie braucht, voller teils überwältigender Positivität, die sich einen feuchten Dreck um Genrekonventionen schert und hochgradig poppige Eingängigkeit düsterem Gedönse gegenüberstellt.
Ach ja, „Lightwork“. Ist genau so ein Album. Die Produktion ist perfekt, die Qualitätsansprüche, die man an DEVIN hat, werden mindestens erfüllt, die Soundauswahl (Band, unterschiedliche Gesangsstile und gelegentliche Gastvocals, elektronische Elemente, Orchester, E-Drums) ist äußerst breit gefächert. Größtenteils ist „Lightwork“ eines der Alben des Ausnahmekünstlers, die kompatibler ausfallen. Einiges an ruhigen Parts, viel Harmonie, eingängige, oft poppige, große Melodien, dicker Bombast, wenig unklarer Gesang und kaum Geknüppel. Positivität überwiegt, lediglich zwei bis drei der Songs fallen düsterer aus. Auch die Experimentsongs (die geil sind, dabei aber weit weniger „konventionell“ als der Rest seiner Songs) sind eher selten. Und man kann es nicht anders sagen, „Lightwork“ ist in jeder Hinsicht perfekt. Die Melodien zünden praktisch zu 100%, der Sound ist gewohnt over the top, und vielleicht etwas mehr als noch auf vorangegangenen Alben spielt DEVIN viel mit den Möglichkeiten der Produktion, um Effekte beim Hörer zu erzielen. Manipulation im besten Sinne. Das Resultat ist eine einstündige, intensive meditative Reise, die den grandiosen Vorgänger „Empath“ subjektiv noch ein wenig übertrifft.

Fazit:
„Lightwork“ ist ein Album, das man einem rock/metallisch komplett ahnungslosen Menschen auf der Straße in die Hand drücken könnte, und es hätte das Potenzial, den Musikgeschmack dieses Menschen nachhaltig zu verändern. DEVIN TOWNSEND schöpft wie wenige andere Musiker unserer Zeit das Potenzial von Musik im Gesamten aus, überwindet Genregrenzen und Konventionen und schafft damit Musik, die letztendlich Balsam für die Seele ist. Und das haben wir doch momentan alle hin und wieder mal nötig.

Anspieltipps:
„Moonpeople“, „Lightworker“, „Dimensions“ und „Heavy Burden“

Jannis

CHAOS FRAME – Entropy

Trackliste:

01. The Timepiece Shatters (Entropy Pt I)
02. To Reap And Never Sow
03. Skyscraper
04. Solaire
05. Voluntary Extinction
06. Always Looking Down
07. The Late Goodbye
08. Forever Is Nothing (Entropy Pt II)

 

 

Spielzeit: 43:34 min – Genre: Progressive Metal – Label: Pure Steel Records – VÖ: 24.06.2022 – Page: www.facebook.com/chaosframe

 

Könnte man Musikgenres im Restaurant bestellen, wären CHAOS FRAME ein „All you can eat“-Buffet, an dem eine größere Anzahl von Mitarbeitern steht, die einem unterschiedliche sehr wohlschmeckende Gerichte erbarmungslos auf den Teller schaufelt. „Hier, nehmen Sie doch auch noch ein paar Black-Metal-Blastbeats. Schmecken wunderbar mit Jazz-Harmonien, hier, bitte! Etwas Power Metal dazu? Moment, noch nicht gehen, da fehlt doch noch eine dicke Kelle Progressive Soup über dem ganzen Gemisch!“
Dann geht man mit seinem Plattenteller zurück an seinen Tisch, vernichtet diese dicke bunte Portion und ist dabei und danach überfordert, aber auch sehr glücklich.
Man kann es nicht anders sagen, „Entropy“, das dritte Album der Truppe aus den Staaten, ist von Anfang bis Ende eine Achterbahnfahrt. Progressive Metal bildet hier Fundament und Rechtfertigung, mehr oder weniger alles mal zu machen, was sich in der melodischen Variante dieses Genres umsetzen lässt (und ein paar Growls gibt es natürlich auch). Orchester, Chor und Blastbeats alleine im furiosen Opener, abgerundet von unkonventionellen Songstrukturen und mehrstimmigen Vocals. Dann plötzlich verstärkte AOR-Vibes und Synthesizer im anschließenden „To Reap And Never Sow“, das ebenfalls mit zeitweiser Blastbeat-Anwendung bei gleichzeitiger Harmonielastigkeit leichte DEVIN-TOWNSEND-Assoziationen wecken könnte. „Skyscraper“ kommt mit teils ruhigeren Tönen, entspanntem E-Piano, sehr cooler Strophe und Partymodus-Drums, mit Harmoniearbeit irgendwo zwischen Power Metal und Jazz und im Verlauf einer sauberen Menge Druck. Und so geht der Spaß weiter, die Tendenz dürfte hiermit ungefähr klar sein. Sounddesign-Elemente spicen die ganze Sache noch zusätzlich an, die makellose Ausführung vonseiten aller Beteiligten tut ihr übriges. Was den Sound angeht, hätte man noch eine letzte halbe Stunde Studioarbeit in die Präzisierung der Frequenzverteilung stecken können, und die Drums gehen bei überladeneren Parts ab und an mal ein wenig unter. Das sollte aber nicht davon abhalten, der Platte mal ein Ohr zu leihen, denn so geht melodischer Progressive Metal, der intelligent ist und gleichzeitig sehr gut zu unterhalten weiß, der modern aber nicht zu modern ist und bei allem was abgeht nicht vergisst, dass purer Overload an Eindrücken alleine noch kein gutes Album ausmacht.

Fazit:
„Entropy“ ist allemal als Album für den klassischen „Ohrensessel, Kamin und Tee“-Abend, ebenso wie für alle anderen Situationen, in denen man eine Platte bewusst genießen kann. Wenn man das wahrnimmt, dürfte man ein Entertainmenterlebnis haben, das einem actionreichen Hollywood-Blockbuster in nichts nachsteht.

Anspieltipps:
„Skyscraper“, „Solaire“, Always Looking Down“ und „The Timepiece Shatters (Entropy Pt. I)“

Jannis

EVERGREY – A Heartless Portrait (The Orphean Testament)

Trackliste:

1. Save Us
2. Midwinter Calls
3. Ominous
4. Call Out the Dark
5. The Orphean Testament
6. Reawakening
7. The Great Unwashed
8. Heartless
9. Blindfolded
10. Wildfires

 

Spielzeit: 50:15 min – Genre: Melodic Progressive Metal – Label: Napalm Records – VÖ: 20.05.2022 – Page: www.facebook.com/Evergrey

 

Hm. Nehme ich die Rezension von der letzten EVERGREY-Platte einfach nochmal, da sie einfach optimal auch auf „A Heartless Portrait (The Orphean Testament)“ passen würde? Die Versuchung ist groß, aber dafür werde ich schließlich nicht bezahlt, also werfen wir mal ein Ohr in das 13. Album der Schweden um den mächtigen Tom S. Englund. Und das ist, wie gewohnt, Anlass zu Melancholie (im positiven Sinne), denn die Truppe hat erneut ein Werk geschaffen, das Härte, durchaus böses Riffing und skandinavische düstere Schönheit – Ihr wisst, die mit den hallenden weichen Klaviersounds – kombiniert, um progressive Elemente und gut gewählte Synthesizer ergänzt und ein paar eher Alternative-Rockige Melodiewendungen mit Hang zur Poppigkeit hinzugefügt und im Sinne des Genres rekontextualisiert. Das Ganze wird dann verpackt in 50 Minuten brillianter Produktion und fertig ist die Kiste. Jaaah, ein paar Kritikpunkte gibt es, die aber mehr oder minder subjektiv gehalten sind: Allen voran die Ballade „Wildfires“ auf Clean-Gitarren-Basis, bei der man nicht genau sagen kann, ob sie besser oder schlechter gewesen wäre, wenn man zumindest den letzten Chorus in voller Bandaufstellungs-Fettheit gebracht hätte. Hat man nicht. Ist dann so.
Die poppigen Ausflüge in Kopfstimme, die Englund ab und an unternimmt, bleiben ebenso Geschmackssache und „Heartless“ ist durchaus ein Kandidat für den nächsten schwedischen Beitrag für den ESC (was nicht schlecht aber auch nicht uneingeschränkt gut ist), aber zu diesem Zeitpunkt könnte man auch einfach in dem Komplimente-Part übergehen und nochmal klar verkünden, dass „AHP(TOT)“ ein astreiner Beitrag zum Melodic Metal ist, der in den meisten Songs praktisch fehlerfrei ausfällt. „Save Us“ stellt ohne lästiges Intro direkt mal klar, wohin die Reise geht und dass man sich sowohl auf große, im spezifisch EVRGREYschen Stil melancholische Melodien als auch auf eine gesunde Portion Härte freuen darf. Bei „Midwinter Calls hat man kurzerhand bei Konzerten aufgenommene Fangesänge integriert, was sehr gut und kraftvoll kommt, sowie ein paar elektronische Elemente. Takttechnisch progressiv wird’s das erste Mal bei „Ominous“ und „Call Out Of The Dark“ liefert dann endlich die lang ersehnten Club-Synths und ist trotz leicht redundantem Refrain ein ordentlicher Brecher. „Blindfolded“, der Song nach „Heartless“, ist genau das Richtige für alle, denen der Vortrack ein bisschen zu Radio war – sowohl Gitarren als auch Gesangsmelodie kommen hier vergleichsweise unmelancholisch und biestig und schaffen einen angenehmen Kontrast zum Rest der Platte.

Fazit:
So gut wie der Vorgänger? Nicht ganz, aber eben auch nur minimal darunter. Und damit bleibt „AHP(TOT)“ ein absolut starkes Album für Fans der Band, von sauberst intoniertem und technisch gut durchdachtem Metal mit Melodien, Härte und Seele.

Anspieltipps:
„Save Us“, „Call Out Of The Dark“, „Reawakening“ und „Blindfolded“

Jannis