FATES WARNING – Long Day Good Night

Band: Fates Warning
Album: Long Day Good Night
Spielzeit: 72:23 min
Stilrichtung: Progressive Metal
Plattenfirma: Metal Blade/Sony
Veröffentlichung: 06.11.2020
Homepage: www.fateswarning.com

Geschlagene 4 Jahre hat es gedauert, bis FATES WARNING ihrem überragenden Album „Theories of Flight“ einen Nachfolger an die Seite gestellt haben. Und wenn man Interviews zur neuen Veröffentlichung glauben darf, dann war es lange fraglich ob es überhaupt eine weitere Scheibe der Truppe um Mastermind Jim Matheos geben würde. Für „Long Day Good Night“ haben FATES WARNING nun nochmals das Label gewechselt (von Inside/Out zu Metal Blade) und den Mix sowie das Mastering nicht mehr in die Hände von Jens Bogren (der für den Sound der vergangenen beiden Alben zuständig war) gelegt, sondern Joe Barresi (u.a. Avenged Sevenfold, Bad Religion, Tool) mit dem Mix betraut. „Long Day Good Night“ klingt gut, keine Frage. Aber ebenso wie der Inhalt, kommt auch das Soundgewand nicht an die ausgeklügelte, detailverliebte Perfektion des Vorgängers heran.

Es klingt wohl schon durch – so ganz happy bin ich mit der neuen Langrille der Jungs nicht. Bei einer Laufzeit von über 72 Minuten werden dem Hörer 13 Songs auf die Ohren gegeben, was de facto die bisher längste Platte von FATES WARNING ergibt. Was aber leider nicht bedeutet, dass die Masse auch durchweg nur Klasse bietet. Es finden sich (vor allem im letzten Teil des Albums) mit „Liar“, „Begin Again“ oder dem unspektakulären (vom Songtitel mal abgesehen) „The Last Song“ auffallend viele Füller auf der Scheibe, deren Wegfallen keinem weh getan hätten. Dem gegenüber stehen natürlich auch diesmal einige hochkarätige Kracher, wie z.B. das Ohrwurmige „Shuttered World“, der vorab veröffentlichte Song „Now Comes the Rain“ und das ausufernde, herrlich verschachtelte „The Longest Shadow of the Day“, dei dem FATES WARNING alle Register Ihres Könnens ziehen. Leider spielen die Jungs nicht durchweg wie gewohnt souverän auf, so dass sich selbst nach mehrmaligem Durchhören eine gewisse Ernüchterung nicht verflüchtigt.

Auch ich kann das allgemeine Echo auf „Long Day Good Night“ also nur bestätigen: schön, dass die Jungs sich nochmal zusammengerauft haben um ihrer Diskographie eine weitere Perle hinzuzufügen. Aber das geniale Niveau von „Theories of Flight“ (oder auch anderen Klassikern des eigenen Kanons) erreichen FATES WARNING diesmal nur selten. Zu zwingend perfekt war der Vorgänger, zu überfrachtet der neue Brocken – ein wenig mehr Selbstdisziplin und Rotstift hätten der Scheibe durchaus gut getan. Nichtsdestotrotz ist auch „Long Day Good Night“ ein streckenweise wieder beeindruckendes Werk, das, sollte es sich denn tatsächlich um den Schwanengesang der Jungs handeln, die Fangemeinde wohl mit einem lachenden und einem weinenden Auge entlässt.

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. The Destination Onward
02. Shuttered World
03. Alone We Walk
04. Now Comes the Rain
05. The Way Home
06. Under the Sun
07. Scars
08. Begin Again
09. When Snow Falls
10. Liar
11. Glass Houses
12. The Longest Shadow of the Day
13. The Last Song

Mario

WOLVERINE – A Darkened Sun

Band: Wolverine
Album: A Darkened Sun
Spielzeit: 27:57 min
Stilrichtung: Progressive Rock/Progressive Metal
Plattenfirma: Eigenveröffentlichung
Veröffentlichung: 31.10.2020
Homepage: www.wolverine-overdose.com

WOLVERINE haben spätestens seit ihrem überragenden “Cold Light Of Monday”-Album einen besonderen Platz in meinem Herzen. Progressive Rock, Progressive Metal, irgendwo dazwischen ist die für das Genre sehr unfrickelige, atmosphärische, meist melancholisch-intensive Musik der Schweden angesiedelt, mit außergewöhnlichem Wert auf Lyrics, Melodien und eigentlich alle Komponenten der Alben.
Diese Komponenten wurde beim neuen Album “A Darkened Sun” noch einmal um eine erweitert. Zwar ist das gute Stück gerade mal 28 Minuten lang, das Nörgeln vergeht allerdings akut, wenn man erfährt, dass es sich um ein audiovisuelles Album handelt, mit dazugehörigem in schwarz-weiß aufgenommenem/bearbeitetem Film und Story. Und Tatsache, auch diese Komponente ist mit wahnsinnig viel Liebe und Aufwand realisiert worden und ist mit der klanglichen Ebene absolut in Einklang. Die Sorge, ein solch ambitioniertes Projekt einer doch eher kleinen Band ohne große finanzielle Mittel könnte im schlimmsten Fall sogar peinlich ausfallen, erweist sich bei “A Darkened Sun” eh als unbegründet, doch mehr noch: Optik, Stilistik, Schnitt, Umsetzung der Handlung – Bassist Thomas Jansson hat hier im Alleingang hervorragende, unter die Haut gehende Arbeit geleistet und die nicht ganz neue Thematik des in der Masse der Gesellschaft untergehenden und „verarbeiteten“ Individuums mit viel Kreativität und Ernsthaftigkeit, starker Bildsprache, toller Kameraarbeit und nicht zuletzt einer ernstzunehmenden Hauptdarstellerin umgesetzt. Nicht wirklich mit Budget, versteht sich, aber effektiv ohne Ende und absolut professionell.
Musikalisch geht es mit recht elektronisch anmutendem Basssound auf leicht stolperndem Midtempo los, als Intro zu “Chapter 1 – Phoenix Slain”, das wunderschön leicht, unheavy beginnt und bereits andeutet, dass “A Darkened Sun” das Gegenteil von einem Partyalbum wird. Ja, solche Strophen können WOLVERINE, genau wie die dicht-intensiv-verzweifelten Parts, von denen einer besagter Strophe als Chorus folgt. Ein elektronischerer düsterer Part dabei, alles auf hoher Qualität und bestens abgestimmt auf die tolle visuelle Ebene. Poah. Schon zum ersten Track hat man sich offensichtlich mehr Gedanken gemacht, als andere Bands zu ihrem kompletten Album. Und vom treibenderen Part des Tracks habe ich noch gar nicht geredet. Machen wir es an dieser Stelle kurz und spoilerfrei: Es bleibt so geil. Mit Erste-Sahne-Komposition und -Umsetzung, mitreißend, mal hypnotisch, mal aufwühlend, visuell mal offensiver erzählend, häufiger höchst (und höchst gelungen) stilisiert, musikalisch höchst emotional und erwachsen. Düster ab und an, mit kleinen Schimmern von Hoffnung, tollem Songwriting, starker Bandleistung und großartigen Vocals. Keine Kritik.

Fazit:
WOLVERINE schaffen es wie nur wenige andere Bands, mit ihrer Musik Emotionen, Stimmungen zu vermitteln, bereit, dafür eine heftige Menge an Arbeit zu investieren. Und sie haben das dank Thomas Jansson, dem Mann für’s Visuelle und die tiefen Töne, auf die nächste Ebene gehoben. Ernsthaft, nehmt Euch die halbe Stunde, wenn Ihr mitreißende Musik liebt, die noch wirklich etwas zu transportieren vermag (geht sogar offiziell gratis). Das konnten WOLVERINE seit jeher, das können sie auf “A Darkened Sun”, und mit der visuellen Komponente wird der Release ein einmaliges Gesamtkunstwerk. Volle Punktzahl, ohne Frage.

 

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Chapter 1 – Phoenix Slain
02. Chapter 2 – The Breach
03. Chapter 3 – Dead As The Moon
04. Chapter 4 – Hibernator

Das komplette audio-visuelle Album steht auf www.wolverine-overdose.com kostenlos (gegen eine freiwillige und berechtigte Spende) zur Verfügung.

Jannis

TERAMAZE – I Wonder

Band: Teramaze
Album: I Wonder
Spielzeit: 69:10 min
Stilrichtung: Progressive Metal
Plattenfirma: Wells Music
Veröffentlichung:
Homepage: www.teramaze.com.au

„I Wonder“ ist das 7. Full-Length Album der australischen Prog Metal Band TERAMAZE, und das 3. das mir zur Besprechung vorliegt. Den direkten Vorgänger aus dem letzten Jahr („Are We Soldiers“) habe ich mir leider bisher noch nicht anhören können, aber die beiden von mir besprochenen Alben (siehe hier und hier) haben einen jeweils ziemlich guten Eindruck hinterlassen. Leider ist die Truppe, die im Kern eigentlich nur von Gitarrist, Songschreiber und Produzent/Mixer Dean Wells zusammengehalten wird, über die Jahre immer wieder von einschneidenden Besetzungswechseln gebeutelt worden. So hat Wells nun auf „I Wonder“ kurzerhand auch noch den Gesang übernommen und veröffentlicht das Ganze dann zum guten Schluß auch noch über sein eigenes Label. Das nenn´ ich mal Konsequenz.

Bisher hat es mir bei den Jungs immer an eingängigen Hooklines gefehlt, ein Umstand der auf „I Wonder“ zwar immer noch nicht ganz ausgemerzt ist, aber was Wells und seine Mitstreiter anno 2020 vorlegen ist dennoch ihr bisher stimmigstes und ausgereiftestes Werk. Gleich vom Fleck weg plätten TERAMAZE mit dem tonnenschweren Doppelpack „Ocean Floor“ sowie „Only Daylight“ jegliche Zweifel daran weg, dass 1 Jahr seit dem letzten Output zu wenig Zeit sein könnte um qualitativ überzeugende Songs zu schreiben. Die Songs der neuen Platte haben eine dermassen hypnotische Aura, eine erhabene, epische Breite, dass man sich stundenlang darin verlieren kann. Zugegeben, das ist alles ziemlich glatt und die sehr poppige Stimme von Mastermind Dean Wells ist definitiv Geschmacksache die nicht jedem gefallen wird. Aber man wird nur schwerlich etwas ähnlich Starkes im fast abgelaufenen Jahr in diesem Bereich finden. Und mit „Sleeping Man“ gibt es ihn dann doch noch, den Ohrwurm zum hinknien, den einen Hit der den Jungs die Türen noch weiter öffnen kann. Ich warte zwar immer noch darauf, dass mich eine Prog Band so gnadenlos aus den Latschen haut wie es Dream Theater vor 28 Jahren mit „Images and Words“ und seitdem nur noch Opeth mit „Watershed“ geschafft haben. Aber wer solche geilen Tracks wie den Dream Theater meets Nickleback (ja, ich weiss, funktioniert aber dennoch ganz wunderprächtig) Brocken „Idle Hands / The Devil’s Workshop“ oder den bombastischen Rausschmeisser/Titeltrack „I Wonder“ auf die Kette bekommt, hat meine volle Aufmerksamkeit sowie Lobhudelei verdient.

Neben Haken´s „Virus“ ist „I Wonder“ für mich das absolute Highlight 2020 im Prog Metal Bereich und die oben genannten Songs seien jedem Interessierten Fan des Genres wärmstens ans Herz gelegt. Mit „I Wonder“ mischen TERAMAZE nun endgültig in der oberen Liga mit und das Album wird womöglich nicht nur bei mir einen der vorderen Plätze im 2020 Jahrespoll belegen. Saugudde Scheibe und eine glasklare Empfehlung!

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Ocean Floor
02. Only Daylight
03. Lake 401
04. A Deep State of Awake
05. Here To Watch You
06. Sleeping Man
07. Idle Hands / The Devil’s Workshop
08. Run
09. This Is Not A Drill
10. I Wonder

Mario

DGM – Tragic Separation

Band: DGM
Album: Tragic Separation
Spielzeit: 56:47 min
Stilrichtung: Progressive Metal
Plattenfirma: Frontiers Records
Veröffentlichung: 09.10.2020
Homepage: www.dgmsite.com

Auf das Frontiers Label ist ebenso Verlass wie auf die meisten der Haus und Hof-Bands des Labels. Da weiss man immer, was man in regelmässigen Abständen serviert bekommt. So ist es natürlich auch auf dem mittlerweile 10ten Studioalbum der italienischen Prog Metal Veteranen DGM, deren “Tragic Separation” nun vorliegt und nahtlos an das 4 Jahre alte “The Passage” (2016) anknüpft. Damals habe ich eine fette Wertung abgegeben und die Jungs an der Speerspitze des Genres verortet. Schauen wir mal, was sich seitdem getan hat.

Wie im Promotext abgehakt, sind auch auf der neuen Platte alle bekannten (und erwarteten) Trademarks der Band vorhanden: große Refrans (check), aberwitzige, technische Kapriolen (check), hi-speed Gtarrengefrikkel (check), überlebensgroße Gesangsmedien (check). Das will der Fan hören und genau das liefern DGM auch anno 2020 wie verlässlich ab. Im Mittelpunkt hierbei, wie immer, Gitarrist Simone Mularoni, der gewohnt beeindruckende Licks und Riffs abfeuert, und Sänger Marco Basile, der das gesamte Spektrum an Tonhöhen und Emotionen abdeckt. Weiterhin sind DGM in der Schnittmenge von Symphony X, Threshold und Dream Theater unterwegs und mischen dem Ganzen AOR und Meldic Rock Elemente bei. Aber machen wir uns nichts vor – „progressiv“ ist an dem Gebotenen so gut wie nichts, die Genre-Bezeichnung daher nur bei gutem Willen als grobe Orientierungshilfe zu verstehen. (Musikalische) Grenzen loten die Jungs keine aus, es sei denn das ein oder andere Gescheindigkeitslimit in den Gitarrensoli. Als Anspieltipps dieser hochwertigen, aber auch relativ vorhersehbaren Scheibe sollen dem Fan mal der knallige Opener „Flesh And Blood“, das mit einer geilen Hookline ausgestattete „Hope“ sowie der formidable Titelrack genannt werden. Leider ist der Genuss der Scheibe aufgrund der doch sehr offensiv knallenden Breitwandproduktion relativ schnell ermüdend, was durch die mitunter etwas hektischen Arrangements noch verstärkt wird. Man sollte also genügend Zeit mitbringen um das Album zur Gänze genießen zu können.

Ich kann nicht behaupten, diesmal restlos begeistert zu sein. Vielleicht bin ich auch einfach nur durch ähnliche Produkt(e)ionen mittlerweile abgestumpft? Nur weil die Jungs ihre Instrumente perfekt beherrschen, die Produktion glasklar und druckvoll ist und das Songwriting sämtliche Genre-Normen erfüllt, gibt es nicht automatisch eine volle Punktzahl. Fans, die von der Band eh nicht genug bekommen können, packen noch 2 Punkte auf die Wertung oben drauf. Alle anderen sollten erstmal ein Ohr riskieren. Fürs nächste Mal würde ich mir etwas mehr Mut zur Abwechslung und Entschleunigung wünschen (wie das geht zeigen uns Teramaze mit ihrem neuen Albem – mehr dazu hier in Kürze).

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Flesh And Blood
02. Surrender
03. Fate
04. Hope
05. Tragic Separation
06. Stranded
07. Land Of Sorrow
08. Silence
09. Turn Back Time
10. Curtain

Mario

DEFECTO – Duality

Band: Defecto
Album: Duality
Spielzeit: 47:34 min
Stilrichtung: Heavy Metal
Plattenfirma: Black Lodge Records
Veröffentlichung: 23.10.2020
Homepage: www.facebook.com/defectoband

 

Holy Shit.

 

 

WERTUNG:

 

 

 

(Okay, ich hab dann doch noch eine ausführlichere Version für alle, die es genau wissen wollen.) Hier geht’s weiter

FORTRESS UNDER SIEGE – Atlantis

Band: Fortress Under Siege
Album: Atlantis
Spielzeit: 50:48 min
Stilrichtung: Progressive Power Metal
Plattenfirma: Rock Of Angels Records
Veröffentlichung: 09.10.2020
Homepage: www.facebook.com/FortressUnderSiege

Bekommt man als u30-Rezensent Alben vorgelegt, so ist trotz des langsam wachsenden Musikwissens doch häufig absolute Unkenntnis die Reaktion darauf, da die Bands entweder ihr letztes Album veröffentlichten, als man selbst noch selbstgemalte Bilder für den Familienkühlschrank veröffentlichte, oder zu den 100.000 Bands gehören, die gefühlt jährlich dazukommen und die man unmöglich alle auf dem Schirm haben kann. Umso schöner, dass FORTRESS UNDER SIEGE älter sind als ich – und dazu jetzt nicht omnibekannt – und es trotzdem irgendwo klingelt. Progressive Power Metal aus Griechenland, dann hört’s aber auch schon auf. Doch das Promosheet weiß mehr: Das hier rezensierte “Atlantis“ ist der dritte Longplayer des Sextetts, alle entstanden seit 2010, da man in der ersten Phase bis zum Split 1998 lediglich eine Demo releaste.
Zum Aktuellen: “Atlantis” umfasst zwölf Tracks, darunter zwei kurze, balladesk und schmalzgitarrig konzipierte Intermezzi und eine anfangs ruhige, später zunehmend mächtige Ballade (“The Road Unknown”). Die Bandleistung kann sich sehen lassen, ebenso die Vocals von Tasos Lazaris, der mit leicht belegter Stimme nicht nur die Töne trifft, sondern ihnen auch gekonnt Emotion verleiht.
Produktionstechnisch hätte man aus ihnen leider noch ein wenig mehr Klarheit rausholen können, wirken sie doch ein wenig verwaschen, der Rest des Sounds ist aber soweit schön tight und druckvoll. Keyboards sind vorhanden, mal in Form eines Solos, mal in Form eines unauffälligen Hintergrundteppichs, nie jedoch zu aufdringlich.
Der Prog-Faktor äußert sich nicht besonders dominant, in instrumentalen Parts abseits der 4er-Takt-Norm bei “Atlantis” zum Beispiel, oder bei “Silence Of Our Words” in einer erstaunlich jazzigen und cool gemachten Strophe. Abseits dessen ist der Heavy- bzw. Power-Faktor primär präsent. Heay Metal prägt insbesondere “Hector’s Last Fight”, dessen Strophe verdächtig nach einer langsamen Version der “Painkiller”-Strophe klingt, und das ebenfalls etwas weniger eingängige “Time For Rage”. Andererseits ist man immer wieder ziemlich Power-Metal-lastig, sei es beim Ohrwurmchorus von “Spartacus” oder beim nicht von ungefähr an MAIDEN erinnernden “Seventh Son”.
Das Niveau schwankt dabei, schlägt allerdings nie wirklich nach unten aus. Gut gemachte gefallende Parts ohne großen Erinnerungswert sind recht häufig, zwischendurch gibt es aber immer wieder auch Leckerbissen wie den “Atlantis”-Chorus mit seiner smarten Endwendung, die runtergebrochenen Teile von “Lords Of Death” und die treibenden BummZapp-Teile von “Vengeance”.

Fazit:
Das alles ist für ein Prog-Metal-Album ein bisschen zu wenig progressiv und hätte den ein oder anderen Knallerpart mehr verdient. Ein korrektes melodisches Metalalbum ist “Atlantis” ohne Frage, nur leider mit etwas weniger Tiefgang als der titelgebende Kontinent.

Anspieltipps:
“Atlantis”, “Silence Of Our Words”, “Seventh Son” und “Spartacus”

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Love Enforcer
02. Lords Of Death
03. Atlantis
04. Holding A Breath
05. Silence Of Our Words
06. Vengeance
07. Seventh Son
08. Lethe
09. Spartacus
10. Hector’s Last Fight
11. Time For Rage
12. The Road Unknown

Jannis

AENEMICA – Secret Lines

Band: Aenemica
Album: Secret Lines
Spielzeit: 33:13 min
Stilrichtung: Alternative Prog Metal
Plattenfirma: Phonector
Veröffentlichung: 04.09.2020
Homepage: www.aenemica.com

Kommen wir nun zu AENEMICA aus Eisenwald (Eigentlich Iserlohn, aber laut Wikipedia ist der Name auf diese Bedeutung zurückzuführen und es geht ja immerhin um Metal). AENEMICA sind ganz offensichtlich eine dieser kleinen Prog-Metal-Bands aus Deutschland, die so ganz unauffällig ihre 100-bis-3000-Facebookfans-Gemeinde bespaßen und außerhalb des Umkreises von 50 Kilometern um ihren Sitz von keiner Sau gekannt werden. Diese Bands spielen dann Konzerte vor 40 bis 60 Leuten, die oftmals ihre zehn Euro Eintritt auch dreimal wert wären, und hin und wieder veröffentlichen sie Alben, die eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Im Falle von AENEMICA veröffentlichen sie “Secret Lines”, das, wohl coronabedingt und somit erstmal entschuldigt, gerade einmal sechs Songs und knapp über 30 Minuten lang ist.
Zum Sound lässt sich trotz der Undergroundigkeit der Band eigentlich kaum etwas Schlechtes sagen. Im Gegenteil, alles ist klar und deutlich, die Gitarren können bei Bedarf äußerst mächtig braten und funktionieren in groß und breit, in trocken und aggressiv und in clean oder sphärisch. Das Sounddesign sitzt ebenso, die Vocals kommen selten mal nicht richtig durch, sind aber ebenfalls mit Liebe auf den jeweiligen Part produziert, ebenso die Synths, die präsent aber eben auch konstruktiv ausfallen.
Die Bandleistung passt nicht minder. Sänger Daniel Stendera klingt leicht androgyn und macht einen starken Job, der Rest der Band tut ihm letzteres nach, kurz: Die Umstände stimmen. Wenn das jetzt die Musik nur auch noch täte…
Gute Nachricht: Das tut sie ziemlich. Gut, man mag an der ein oder anderen Stelle die herausragenden Melodien vermissen, klingt “Secret Lines” doch meistens nach Melodien, die sich fast von selbst schreiben und sehr schlüssig sind, dabei jedoch auch gängigen Alternative/Progressive-Strukturen folgen. Da fehlt ab und an ein wenig die Eigenständigkeit, was aber durch die Arrangements weitgehend entschuldigt wird. Höchst atmosphärisch ist das Ganze, schön dicht mit viel Reverb-Einsatz, melancholisch, mal wütender, mal schmalzig (Der Prototyp-Alt-Prog-Chorus von “Back To Life”), mal extreeeeem fett (“Reverie”, wenn diese ultra-massive Gitarrenwand über den ruhigen Part einherbricht) und angereichert mit Arbeit mit unterschiedlichen Taktarten auf einem Level, das nicht nach Skilldemonstration zum Selbstzweck klingt. Ach ja, und ausnahmslos jeder Track beginnt verhältnismäßig ruhig und wird dann härter. Das Schema könnte etwas abwechslungsreicher sein.

Fazit:
Aber sonst will ich gar nichts sagen. Die geschickt und mit Hingabe erzeugte Atmosphäre von „Secret Lines“ macht einige eher standard ausfallende Melodien wieder wett. Nichts für die nächste Metalparty, aber für einen späten Sommerabend draußen mit ’ner Kerze oder ’nem Feuerchen hervorragend geeignet! Und Bands dieser Größe, insbesondere so gute Bands dieser Größe, sollte man momentan eh durch Albumkäufe unterstützen.

Anspieltipps:
„Reverie“ und „Hollow“, um mich mal auf ein Drittel des Albums zu beschränken.

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Distant Light
02. Hollow
03. Back To Life
04. Stay
05. Just A Few Lines
06. Reverie

Jannis

 

YARGOS – The Dancing Mermaid

Band: Yargos
Album: The Dancing Mermaid
Spielzeit: 73:22 min
Stilrichtung: Progressive Metal
Plattenfirma: STF Records
Veröffentlichung: 07.08.2020
Homepage: www.facebook.com/yargosband

YARGOS: Eigentlich nur übernommen, weil es wer machen musste, obwohl es nach dem Reinhören in einen Song hauptsächlich nach dieser komischen Male&Female-Fronted-Metal-Kombi klang, die sich primär durch Abwechslung von Symphonic-Kram mit Growls und Geknüppel auszeichnet. Siebzig Minuten später gebe ich 8 Punkte, die allerdings gerechtfertigt werden müssen. Das dritte Album der Progressive-Metal-Deutschen ist keines der Marke “Ohne Ecken und Kanten, Niveau durchweg 8 von 10 Punkten”. Im Gegenteil. Die zwei Punkte muss ich abziehen, weil mir einige Sachen nicht behagt haben, während ich insgesamt doch schwer beeindruckt bin. Kritik zuerst: 1. Progressive Metal wird klassische Prog-Fans in die falsche Erwartungsrichtung locken. Komplex ist das Ding aber eben alles andere als typischer Prog. 2. An doch so einigen Stellen erscheint mit das eigentlich ursprünglich unproggige Material zwangsproggisiert worden zu sein. Hängen wir da noch nen halben Takt dran, dann ist es progressiv, nach dem Motto. 3. Gerade zu Anfang ist die Sache ein bisschen chaotisch, man will irgendwie alles mit reinpacken und verliert sich zum Teil ein bisschen in Gestückel. 4. Zu Anfang zwei Tracks nach dem oben genannten Male/Female-Muster zu bringen ist nicht repräsentativ für den Rest des Albums. 5. Einige Vocals von Hauptsängerin Becky Gaber sind ganz subjektiv nicht nach meinem Geschmack, beispielsweise die Aaaah-Parts von “Mine Complete”.
Nun zum Positiven: 1. Andere Vocals, die meisten, um genau zu sein, hingegen schon. Nicht nur ist das Album sehr vocal-fokussiert, arbeitet viel mit Mehrstimmigkeit, verschiedenen Gesangstechniken und geil umgesetzten Vocal-Effects (überhaupt ist die Produktion echt stark geworden), Becky ist zudem eine arsch-wandelbare Sängerin, die eine Theatralik ins Spiel bringt, die man so kaum bei Metal-Sängerinnen hört. Mal soulig, mal keltisch-folkloristisch, mal in bester KING-DIAMOND-Manier (nicht seine Falsettparts, eher die, in denen er Dialoge zwischen düsteren Gestalten wiedergibt) – An einigen Stellen mögen schlechte Entscheidungen getroffen worden sein aber die Stimme ist meistens ziemlicher Wahnsinn und trägt das Album auf einem hohen Level. 2. Die Bandleistung ist stark, die Orchestralsounds und Synths meist hochwertig und keineswegs auf unkreative Klangteppiche reduziert. 3. Das Songwriting ist außergewöhnlich. Sehr unmetallische Parts (“Where Are You Now”) mit Mut zur Ruhe werden abrupt durch irgendwas Abgefucktes beendet, dann mal ein poppiger Chorus, mal einer, der sich fast nur durch die Backing Vocals vorwärts bewegt. Die Harmonien mal jazzig, mal power-metallig, immer mal anders, stimmig aber nicht gewöhnlich. Dabei kurzweilig, kaum ein Part, der länger ist als er sein müsste. 4. Ich mag Alben, bei denen Pausen zwischen den Songs durch kleine Übergänge ersetzt werden.

Fazit:
Und angesichts alldessen ist “The Dancing Mermaid” keines der 8-Punkte-Alben, die durchgängig 8/10 sind, sondern manchmal 5/10 und häufig 9/10, was generell sehr gut ist, denn einzelne Parts oder Songs kann man skippen, ein durchgängig nicht so hohes Qualitätslevel jedoch nicht. Progressiv unkonventionell, anders als man aufgrund des Genrelabels erwarten würde. Man muss es nicht mögen aber ich mag es zu großen Teilen sehr. Und Andrew Dermond, der leider verstorbene Vorgänger von Becky, wäre verdammt glücklich über seine Nachfolgerin.

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. The Storm Is Coming
02. Annie, Oh Mine
03. You Won’t Get Far
04. Mine Complete
05. You Push Me
06. Where Are You Now
07. Contaminated (We’re All Damned)
08. Two Girls (Don’t Come Knocking)
09. Boneshaker
10. All Your Demons
11. It’s Breeding
12. Lie To Me
13. (f I Only Could) Turn Back Time
14. The Storm Is Passing

Jannis

ASSIGNMENT – Reflections

Band: Assignment
Album: Reflections
Spielzeit: 58:31 min
Stilrichtung: Progressive Metal
Plattenfirma: Massacre Records
Veröffentlichung: 21.08.2020
Homepage: www.assignment-music.com

Es gibt da so ein paar deutsche kleinere Progressive-Metal-Bands, bei denen man findet, was man bei den großen oft vergeblich sucht: Abkehr vom Technik-Fokus, dafür Songwritingskills – die Art von Progressive-Metal-Bands, deren Progressivität oftmals gar nicht akut wahrgenommen wird, weil sie nicht als Aufhänger stilgebend sondern als musikalisches Mittel eingesetzt wird. Als größeres Beispiel seien dabei MOB RULES genannt, ansonsten ANCIENT CURSE, die wir kürzlich hier besprachen. Auch ASSIGNMENT (ich höre mit diesem Album zum ersten Mal von denen) gehören offenbar zu dieser Sparte. Die Truppe hat ihr fünftes Album in den Startlöchern, mit dem Titel “Reflections”, einer knappen Stunde Spieldauer und einer Produktion, die die Handgemachtheit des Albums durchscheinen lässt. Das klingt nicht nach dem polierten, ultra-knallenden Standard-Progressive-Metal, aber es klingt authentisch und ist seinen oft etwas seelenlos klingenden Kollegen damit subjektiv in der Hinsicht ein Stück voraus.
Schon die ersten zwei Tracks bieten eine Überraschung. Progressive Metal ist oft ein wenig elitär und vermittelt viele Emotionen, doch Wut ist ein Zeichen von Schwäche und demnach selten im melodischen Teil des Genres. Doch Wut ist genau das, was einem insbesondere “Mercyful Angel” erbarmungslos um die Ohren haut. Highspeed, oldschool heavy/speed-metallisch anmutende Vocals – das passt zum Text über die NATO-Bombardierungen in Serbien und ist ein grandioser Einstieg. Gut, das Level an Aggression wird im Verlauf des Albums nicht mehr erreicht, es wird “klassischer” progressiv, mit zeitweisem Einsatz von Streicher- und Klaviersynths, seltener von digitalen. Und ganz hintergründig, ohne es dem Hörer groß unter die Nase zu reiben, eröffnet sich vor ihm ein wirklich smartes, mit Aufwand komponiertes Album, das mit einer beachtlichen Menge an geilen Parts und Arrangements daherkommt. Sei es der Aufbau von “Unknown Hero”, das unheilvoll mit Streichern und Klavier (im sehr unkitschigen Sinne) beginnt und dann an Fahrt gewinnt, das Richtung Ballade tendierende “Reflections”, die E-Drum-Akzente und die Melodieführung in “Corporate Men”: Die musikalische Ebene von “Reflections” ist durchgängig interessant und bietet immer wieder kleine Progisierungs-Faktoren, die in dem Genre heutzutage nicht zur Norm gehören. Und das, muss man einfach mal so sagen, ist die Definition von progressiv. Die ganze “Megafette Produktion, Gehacke, poppige Chorusmelodien, möglichst unnachvollziehbare Taktarten, mehr digitale Effekte und modernere Synths”-Schiene, die viele Vertreter des Genres schon seit einiger Zeit fahren, ist nicht mehr fortschrittlich (maximal im Produktions-Sinne), das ist Stagnation. Was ASSIGNMENT machen, ist intelligenter Heavy/Power Metal, der die Grenzen des Genres überschreitet, Altes auffrischt, Neues probiert, durchaus und gerade in textlicher Hinsicht damit Parallelen zu QUEENSRYCHE besitzt und versucht, ein paar neue Ideen mit bewährten Methoden ins Genre zu bringen. Das ist progressiv und dazu auf unüberhebliche Weise echt grandios geworden.

Fazit:
“Reflections” hat kleine Fehler über die man hinwegsehen muss. Aber die Produktion ist bei der Platte nichts, was den fehlenden Inhalt kaschieren könnte; das muss sie aber auch nicht. Wer Bock hat auf ein echt intelligent geschriebenes, mitreißendes und in seinem traditionellen Klang doch frisches Prog-Metal-Album mit gesellschaftlich/politschen Texten, der sollte sich mit der Platte im Spieler und dem Booklet in der Hand an den heimischen Kamin setzen oder, falls kein Kamin vorhanden ist, einfach bei “Mercyful Angel” irgendwas Brennbares anzünden und ersatzweise verwenden.

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Trilogia Balkanica
02. Mercyful Angel
03. Obsession
04. Corporate Men
05. Reflections
06. Submission
07. Timeline
08. Endlessly
09. Unknown Hero
10. Silent Nation

Jannis

ANGBAND – IV

Band: Angband
Album: IV
Spielzeit: 42:54 min
Stilrichtung: Power/Prog Metal
Plattenfirma: Pure Underground Records
Veröffentlichung: 24.07.2020
Homepage: www.facebook.com/angbandmetal

ANGBAND sind wahrlich Exoten in unserem Metalkosmos! Mir ist keine andere Band aus dem Iran bekannt die sowohl International als auch im Underground so präsent ist und in einem wahrlich nicht für den Metal bekannten Land die Fahne unserer geliebten Mucke so hochhalten!
Nun sind die Jungs mit ihrem dritten Album „IV“ zurück und haben mit PHARAOH Fronter Tim Aymar einen neuen Sänger hinter dem Mirko.
Man mixt nach wie vor Power/Prog Metal mit persischer Folklore, was sie ebenfalls wieder zu Exoten macht.
Pure Steel/Pure Underground Records halten aber nach wie vor an dieser einzigartigen Band fest und das schon seit Beginn ihrer Karriere! Das machen wir daher auch und widmen uns nun dem neuen Album in Form des Openers „Fighters“. Hier haben wir einen relativen klassischen Power Metalsong der noch ohne viel Prog oder Geschnörkel auskommt! Die Stimme von Fronter Tim ist natürlich über jeden Zweifel erhaben und weiß, wie auch schon bei seinen anderen Bands zu überzeugen. Allerdings ist sie ziemlich in den Vordergrund gemischt was im weiteren Verlauf des Albums doch ganz schön stört, das schon mal vorweg.
Der Progeinschlag der dem Opener gefehlt hat kommt nun beim anschließenden „Visions in my Head“ voll zur Geltung! Inklusive sind hier persische Folkloreklänge, die man aber definitiv mögen muss, sonst wird das Ganze irgendwann einfach zu viel des Guten.
Insgesamt ist der Song, wie auch der Opener absolut empfehlenswert und begeistern auf Anhieb.
„Atena“ im Anschluss ist dann eher guter Standardmetal, besser macht man es dann beim anschließenden „Mirage“ und dem gefühlvollen „Nights of Tehran“.
Beim dem überlangen und epischen „Cyrus the Great“ findet man ebenfalls wieder eine tolle und ausgeglichene Mischung zwischen persisch angehauchter Folklore und ordentlichem Prog Metal!
Mit den beiden letzten Nummern „Children of War“ und „The Blind Watchmaker“, welches „nur“ ein Instrumental geworden ist, kann man dann leider wieder nicht vollends überzeugen.
So bleibt dann final ein gemischter Eindruck zurück!

Anspieltipps:

„Fighters“, „Visions in my Head“ und „Cyrus the Great“

Fazit :

Nach wie vor ist das was die Jungs von ANGBAND machen einfach sehr speziell! Daran ändert auch der neue Sänger Tim Aymar nichts.
Hut ab vor den Jungs, die es schaffen aus dem Iran heraus ihren Metal in die Welt zu tragen, das ist sicherlich nicht immer einfach!
Leider gibt es nach wie vor nicht mehr als eine solide Leistung, ich hätte es den Jungs gegönnt etwas höher zu greifen. Dafür sind es aber nach wie vor zu viele Standardmetaltracks auf der Scheibe.
Aber solide ist solide und unterstützen sollte man die Band auf jeden Fall!

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Fighters
02. Visions in my Head
03. Atena
04. Mirage
05. Nights of Tehran
06. Insane
07. Cyrus the Great
08. Children of War
09. The Blind Watchmaker

Video zu “Visions in my Head”:

Julian