TEMPT – Runaway

Band: Tempt
Album: Runaway
Spielzeit: 54:28 min
Stilrichtung: AOR / Hard Rock
Plattenfirma: Rock Candy Records
Veröffentlichung: 17.06.2016
Das Rock Candy Label ist ja eigentlich auf die Wiederveröffentlichung von (auch gerne reichlich obskuren) vergessenen Perlen spezialisiert. Ein neues Album einer jungen Band ist da tatsächlich schon etwas Besonderes. Mit grossem Enthusiasmus von Seiten des Labels wurde uns nun das Debüt der New Yorker TEMPT ans Herz gelegt, das eine eben solche aussergewöhnliche Ausnahme darstellt. Nach einer selbstfinanzierten EP im letzten Jahr legen die Jungspunde nun ihr erstes reguläres Studioalbum vor. Alle Songs wurden von der Band selbst geschreiben (was auch nicht alle Tage vorkommt) und für den Mix (bzw. Re-Mix eines Songs) konnte gar die Choryphäe Michael Wagener (u.a. Dokken, Skid Row) gewonnen werden.
Wie klingt’s? Verdammt 80’s! Aber sowas von. Man mag im Promo-Text ja von einer Mischung aus alten Helden wie Def Leppard oder Van Halen und moderneren Acts wie Audioslave und den Foo Fighters sprechen. Letzteres ist aber wirklich nur mit der Lupe zu suchen und führt auch ein wenig in die Irre. Im Grunde machen die Jungs genau das, was zahllose andere (vor allem Skandinavische) Bands in den letzten Jahren recht erfolgreich getan haben – sie zelebrieren und huldigen den dicke Hose Produktionen der Hair und Glam-Metal Phase, mal mehr, mal weniger offensichtlich. Der Unterschied liegt hier im Detail: erstens ist das Agressionslevel bei TEMPT sehr niedrig gehalten, gleichzeitig läuft die Band aber nie Gefahr ins Kitschige oder Seichte abzurutschen. Da auch die Keyboards nur recht dezent eingesetzt werden, ist das Soundgerüst ebenfalls angenehm rockig ohne durch eine plakative Ballerorgie den Hörer zu erschlagen. Das hat die Band schon richtig geschmacksicher angereichert. Das Ganze wird dann zudem noch von den wirklich erstklassigen Hooklines abgesichert, die auf den Punkt genau ins Ziel treffen. Ja, TEMPT sind hörbar von den 80er Helden beeinflusst, so sehr, dass hier und da auch mal ein Song seine „Original Quelle“ nur schwer verbergen kann: „The Fight“ borgt sich recht ungeniert den Refrain von Alice Cooper’s „House Of Fire“ und das Gitarrenriff von „Use It Or Lose It“ ist verdammt nah dran an Richie Sambora’s „Rosie“ (vom herausragenden „Stranger In This Town“ Album). Vom stumpfen Abkupfern kann aber keine Rede sein – dafür gehen die Jungs einfach viel zu souverän an die Sache heran. Wer bei Perlen wie „Aamina“, „Comin‘ On To You“, dem straighten, an alte White Lion erinnernden Highlight „Sapphire“ oder „Under My Skin“ nicht gleich die Refrains mitgröhlt und die Luftgitarre auspackt ist beim falschen Genre gelandet. Sänger Zach Allen klingt trotz seines jungen Alters schon wie ein überzeugender Mix aus Jeff Keith (Tesla) und Mike Tramp (White Lion), verfügt über eine variable Stimmvielfalt und hat ein gutes Gespühr für Melodielinien. Der Kerl könnte aber gerne noch ein wenig mehr aus sich herausgehen und die Handbremse lockern. Es ist aber vor allem Gitarrist Harrison Marcello (wohl nicht verwandt mit dem grandiosen Europe Gitarristen Kee Marcello?) der als Könner seines Fachs glänzen kann, so das auch die Musikerpolizei den spielerischen Kapriolen auf den 6 Saiten mit Begeisterung folgen wird.
Kritikpunkte? Ja, die gibt’s auch: Gegen Ende der Scheibe wird es mit den überflüssigen Füllern „What Is Love“ und „Time Won’t Heal“ etwas beliebig und den Remix eines Tracks von Michael Wagener hätte man sich auch locker sparen können. Den tut sich niemand mehr an, wenn er die vorangegangeen Songs in einem einheitlichen Mix durchgehört hat. Und insgesamt 14 reguläre Tracks sind einfach zuviel des Guten. Ein externer Produzent hätte das Material womöglich noch massgeblich zusammengestrichen, was zu einem kompakteren und noch unterhaltsameren Ergebnis verholfen hätte. Das ist aber meckern auf hohem Niveau, denn an den Output so mancher Schweden und Frontiers Combo aus dem Sleaze/Hard Rock Bereich reichen die US Boys locker heran. Vor allem das handwerkliche Geschick und das treffsichere Gespür für starke Hooklines ist, vor allem bei solch jungen Bands die ohne externe Songschreiber agieren, mehr als beachtlich. „Runaway“ ist ein tolles Erstlingswerk und sollte jedem Melodic Rock Fan die aufgerufenen EUROs wert sein.
WERTUNG: 
Trackliste:
01. Comin‘ On To You
02. Under My Skin
03. Paralyzed
04. Use It Or Lose It
05. Runaway
06. Aamina
07. Sapphire
08. The Fight
09. What Is Love
10. Time Won’t Heal
11. Love Terminator
12. Fucked Up Beautiful
13. Neuro-Child
14. Dirty One
15. Aamine (MW Mix)

Mario
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