THE NEW ROSES Interview

Am 19.10. gaben sich The New Roses zusammen mit ihren beiden Supportbands Stinger und The Weight im Hirsch in Nürnberg die Ehre.
Was für ein spaßiger Abend das aber auch war! Gestartet wurde er mit einem Plauderstündchen mit Sänger Timmy Rough, der u.a. über das harte Leben im Rock’n’Roll, sowie den aufregenden Trip zu unseren Truppen nach Afghanistan berichtet.
Auch später bei der Show gaben Timmy, Norman, Hardy und Urban alles. Genau deshalb solltet ihr ihren letzten Deutschland-Auftritt dieses Jahr in Wiesbaden am 17.11. nicht verpassen! Auch ihre letzte Platte „One More For The Road“, welche im August erschien, sei euch wärmstens ans Herz gelegt.
Nun aber erstmal viel Spaß mit dem Interview!

L.C.: Im August kam euer neues Album raus, inwiefern unterscheidet es sich im Entstehungsprozess von den Vorgängern?

Timmy: Grundsätzlich ist es nach demselben Prinzip entstanden: ich habe einfach wieder Songs geschrieben, Ideen festgehalten, habe sie den Jungs gezeigt, wir haben ausgesucht und uns dann mehr mit den Ideen beschäftigt und Songs draus gemacht. Das haben wir bei den anderen Alben auch so gemacht. Was jetzt allerdings anders war, ist, dass wir konstant auf Tour waren mit dem „Dead Man’s Voice“-Album und ich eigentlich bei den Soundchecks oder in den Garderoben an den Songs gearbeitet habe. Deswegen klingt die Platte, finde ich, sehr aus einem Guss, weil sie eben die ganze Zeit on the road entstanden ist durch das ständige unterwegs sein. Das ist auch der Spirit der Platte. Ich habe den Eindruck, dass man hört, dass in dem Album durchgehend Bewegung drin ist, so eine Unruhe. Deswegen haben wir sie dann auch „One More For The Road“ genannt.

L.C.: Und bei den anderen Alben war das anders?

Timmy: Ja, beim ersten Album ist es natürlich so da hat man sein ganzes Leben Zeit. Auf dem ersten Album sind Songs drauf, die habe ich geschrieben da war ich 17, und ich war ja immerhin schon 27 als das Album rauskam. Deswegen war ich das beim zweiten Album dann überhaupt nicht gewöhnt so auf Druck zu schreiben. Da haben wir aber noch nicht viel getourt, weil wir noch eine ganz unbekannte Band waren. Erst durch das zweite Album dann, das „Dead Man’s Voice“-Album, da war dann „Thirsty“ drauf und das ging dann ins Radio und hat uns, sage ich mal, den Einstieg in die Profiliga ermöglicht. Ab dann haben wir nur noch gespielt. Wir sind jetzt nahtlos aus der „Dead Man’s Voice“-Tour in die „One More For The Road“-Tour übergegangen. Deswegen fanden wir auch „One More For The Road“ ganz passend, weil es ging dann so direkt noch einen weiter.

L.C.: Du hast gesagt, du schreibst die Songs, habt ihr eine bestimmte Rollenverteilung innerhalb der Band? Wer macht was?

Timmy: Es wurde nie so richtig kommuniziert, aber es ist so natürlich alles auf seinen Platz gefallen. Urban, unser Drummer, kümmert sich viel um diese ganzen Business-und Vernetzungsfragen mit dem Management und Plattenfirma. Die anderen haben viel hier on the road zu tun. Jeder macht das, was er am besten kann. Aber ich glaube, wenn alle alles machen, gibt es nur Gewusel.

L.C.: Ich hatte gerade schon nach den anderen Alben gefragt. Wenn ihr jetzt so zurückguckt, was hat sich seitdem verändert, habt ihr euch weiterentwickelt bzw. seid ihr anders geworden?

Timmy: Mit Sicherheit. Als wir das erste Album herausgebracht haben, da hatten wir eigentlich so null Ahnung von gar nichts. Wir haben zwar schon lange Musik gemacht, aber wir hatten noch keine eigenen Songs richtig auf die Straße gebracht. Also Urban und ich kennen uns schon ewig, haben eine Coverband zusammen gehabt, in Ami-Clubs für die ganzen Soldaten gespielt, aber wir hatten halt null Ahnung wie es auf Tour aussieht, wie viel Kraft das kostet und wie die Realität im Rock’n’Roll aussieht. Wenn man das nur aus dem Fernsehen kennt und sieht die DVD von seiner Lieblingsband oder irgendeinen coolen Film über Rockstars, dann stellt man sich das alles so unheimlich aufregend und wild vor – das ist es auch, aber es ist halt eine Komponente dabei, die man nicht so oft sieht, von der man nicht so gerne spricht und auch nicht so gerne was hören will. Es ist eine sehr sehr kraftraubende, langwierige Arbeit so eine Band nach vorne zu bringen und die dann auch dort wachsen zu lassen. Das haben wir so nicht gesehen. Jetzt mit diesem Wissen geht man schon anders ran, versucht natürlich auch gewisse Fehler nicht mehr zu machen. Manches wird leichter, weil man nun schon weiß wie es geht. Man schießt sich auch miteinander ein, das ist wirklich wie ein altes Ehepaar. Ich sehe die Jungs hier wesentlich mehr als meine Familie oder vor allem meine Freunde. Wir hängen ja ständig aufeinander, da lernt man auch viel über sich selbst, wie man den anderen auf den Sack geht mit gewissen Eigenschaften. Oder auch wie man mit Sachen, die einem selbst auf den Sack gehen dann umgehen kann um langfristig überhaupt ein Zusammenleben möglich zu machen.
Also ich glaube man entwickelt sich ständig weiter, wenn man das will. Sonst kracht es auch, und ich glaube, dass uns das von vielen Bands unterscheidet. Wir sind nicht die beste Band, die es gibt, obwohl man ja gerade sagt wir wären die neue Hoffnung des Hard Rock und so… ich glaube wir sind einfach eine Band, die länger durchhält als andere. Durch Geldmangel, Stress und zeitliche Probleme – du musst ja auch irgendwie erstmal zu Geld kommen und das verdient man nicht mit der Band. Die kostet erstmal Geld. Die ersten Jahre haben wir nur privates Geld reingesteckt. Ich habe nachts in einer Zeitungsfabrik gearbeitet, Getränke ausgeliefert, im Baumarkt Beton geschleppt und habe jeden Euro dann direkt in die Band gesteckt und nichts für mich behalten. Das muss man erstmal hinkriegen, dann geht man sich irgendwann auf den Sack, weil man ist ständig on the road, hat kein Geld und schläft im Auto, muss sich im Auto umziehen, weil dir keiner eine Garderobe gibt. Wenn du die letzte scheiß Vorband von der Vorband bist, dann interessiert sich überhaupt keiner. Du bekommst nichts zu essen, nichts zu trinken, das ist wirklich krass. Du musst dir das ganz hart erspielen. Jetzt bei einer Tour wie dieser, spielen wir in Läden, wo wir die ganze Zeit Vorgruppe waren und haben jetzt die Garderoben wo immer die Hauptgruppen drin waren, jetzt können wir was essen, Interviews in einem ruhigen Raum führen und nach der Show duschen, das ist schon was Besonderes. Also ich bin da sehr sehr dankbar, dass wir jetzt mittlerweile auf so einem Level sind.

L.C.: Gab es auf dem Weg so Schlüsselerlebnisse wo ihr gesagt habt „So habe ich mir das aber nicht vorgestellt“ ?

Timmy: Solche und solche. Es gab Momente wo man wirklich dachte „Komm‘, wir lassen es“. Wir haben wirklich mehrfach überlegt, ob wir es einfach sein lassen. Das waren Momente wie zum Beispiel, dass man mehrfach mit Businesspartnern in Streit geraten ist, musste sich vertraglich rausklagen mit Anwälten und vor Gericht usw. Das hat viel Geld, Nerven und Freundschaften gekostet. Da wurde Vertrauen gebrochen, das man in jemanden gesetzt hat und das war sehr schlimm. Es gab aber auch Sachen, die einfach nicht funktioniert haben. Du spielst und spielst und spielst und trotzdem will keine Plattenfirma etwas mit dir zu tun haben. Alle sagen „Ihr seid so geil, aber Rock’n’Roll ist tot und wir wissen nicht, was wir damit anfangen sollen“. Wir haben in den letzten Kellerkneipen gespielt, wo der Schimmel von der Decke hing und es waren nur sechs Leute da und du fragst dich wofür du sechs Stunden gefahren bist. Da gab es schon viel Negatives und Strapaziöses.
Aber es gab dann auch immer wieder Momente, die waren jetzt gar nicht so super glorreich, sondern Momente wo einer sagt, er sei acht Stunden gefahren um uns zu sehen, kommt aus Budapest her oder wenn jemand unser Album sehr bewegt hat. Auch der erste Festival-Gig, wo dann wirklich Party war und dann spielst du da vor 1000 Leuten. Oder der „Sons Of Anarchy“-Soundtrack war auch cool für uns.

L.C.: Wie seid ihr da drangekommen?

Timmy: Das hat sich über unser erstes Management ergeben. Das hat Wind davon bekommen, dass da noch ein Song fehlt.

L.C.: Also habt ihr den extra dafür geschrieben?

Timmy: Nein, ich hatte den schon und das Album war auch so gut wie draußen und hieß auch „Without A Trace“, also wie der Song. Ich wusste immer, dass der perfekt für einen Actionfilm wäre und wir haben den denen dann angeboten und das hat ein paar Wochen gedauert. Das war relativ umständlich, aus Amerika wollten die bei Century Fox dann erst wissen was das für ein Lied ist und dann kamen wir aber mit auf den Soundtrack, das hat uns viel gebracht. Und jetzt letztes Jahr der Gig auf dem Hellfest vor 10 000 Leuten, das war auch echt eine geile Aktion, vor allem weil da kurz danach Aerosmith gespielt hat, das war schon wirklich sehr geil. Auch die „One More For The Road“-Tour ist wirklich auch so ein Moment, wo man merkt, es tut sich etwas im Direktvergleich mit der Tour letztes Jahr. Man kann sagen, es entwickelt sich einfach viel. Es sind viel mehr Leute, viel größere Läden. Die Leute sind auch wesentlich euphorischer dabei, die kennen die Songs in- und auswendig. Ich hoffe mal, dass die Negativseiten jetzt weniger werden, als sie am Anfang waren, aber es wartet natürlich immer etwas.

L.C.: Du hast gerade schon gesagt, ihr habt für Truppen gespielt. War das schon vorher oder war das jetzt in Afghanistan das erste Mal?

Timmy: Ja wir waren in Afghanistan. Das war das erste Mal, dass The New Roses für die Bundeswehr gespielt hat. Urban war vor 15 Jahren mit Hardy schon zusammen in einer Band und die haben da auch schon einmal mit der Bundeswehr zu tun gehabt. Was wir aber früher gemacht haben war, dass wir in Wiesbaden, bei uns, wo die U.S. Army ihr Hauptquartier hat, in den umliegenden Clubs und Bars zu spielen, weil da die ganzen Soldaten hingegangen sind und weil das der einzige Ort im ganzen Rhein-Main-Gebiet war, wo man Rock’n’Roll spielen konnte, Country spielen konnte, Lynyrd Skynyrd spielen konnte und solche Sachen. Da habe ich dann auch die Sprache gelernt und viele viele gute Freunde kennengelernt.

L.C.: Wie seid ihr an den Auftritt in Afghanistan gekommen?

Timmy: Wir haben uns einfach angeboten. Wir haben gesagt, wir würden das gerne machen, haben uns mit der Bundeswehr in Verbindung gesetzt und gesagt „Wir sind The New Roses und wir würden gerne die Truppen besuchen und wenn ihr wollt auch gerne spielen.“. Dann sind wir da hingeflogen und haben ein Konzert gespielt. Das war dann so extatisch und intensiv, dass wir dann nochmal verlängert haben um noch eine zweite Show zu spielen. Wir waren insgesamt eine Woche da und hatten eine richtig coole Zeit. Es war sehr aufschlussreich und wir haben jetzt noch mehr Respekt als wir eh schon hatten bevor wir hingefahren sind, weil die Jungs und Mädels da machen schon einen echt krassen, harten Job in unserem Auftrag.

L.C.: Hattet ihr Angst während ihr da wart?

Timmy: Stellenweise schon. Komisch war es die meiste Zeit. Man ist mit einem mulmigen Gefühl hingereist. Den Flughafen dort kann man natürlich nicht vergleichen mit dem Flughafen hier. Da stehen bewaffnete Leute mit Maschinengewehren. Im Bus, mit dem du über das Flugfeld gefahren wirst, müssen die Lichter aus und Vorhänge zu sein, damit man kein erkennbares Ziel darstellt. Das war schon nervenaufreibend. Wenn man sich überlegt, dass die den ganzen Tag über Monate hinweg in diesem Risiko leben und dann auch noch rausfahren aus der Basis, wo ja noch ein verhältnismäßig großes Sicherheitskonzept besteht, muss man sagen, umso mehr Respekt für die Leute dort. Beim Abflug hatte ich dann nochmal richtig Schiss, muss ich sagen, weil wir da lange an dem Flughafen in Mazar-e Scharif warten mussten. Alle sind angespannt, man merkt, dass die Soldaten alle wirklich wachsam sind und die Waffen auf Anschlag haben und das ist man halt nicht gewohnt. Aber es hat sich gelohnt.

L.C.: Wann fällt dann die Anspannung ab? Erst wenn man mit dem Flugzeug über ruhigeren Ländern ist, oder schon vorher?

Timmy: So richtig entspannt war ich erst als wir in Istanbul abgeflogen sind. Wir hatten dort einen Zwischenstopp, sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückreise. Das war gerade zu dem Zeitpunkt als viele Deutsche in Untersuchungshaft genommen wurden und wir waren ja auch noch im Auftrag der Bundeswehr unterwegs. Da haben wir auch nochmal befürchtet Probleme zu bekommen. Als wir dann aber in Istanbul abgehoben sind Richtung Köln, da war ich dann selig.

L.C.: Wart ihr selbst in der Bundeswehr (Wehrdienst geleistet etc.)?

Timmy: Ich weiß gar nicht, wie das bei den anderen aussieht, aber ich wurde damals ausgemustert. Ich hatte damals gesundheitliche Probleme, deswegen hatte ich nicht die Gelegenheit mitzumachen.

L.C.: Ihr seid ja nicht nur in Afghanistan unterwegs, sondern generell viel auf Tour, wie bereitet ihr euch darauf vor?

Timmy: Wir proben. Viel weniger als wir müssten, weil wir eigentlich durchgehend auf Tour sind. Man kann halt im Moment noch nicht sagen, dass wir es so machen, wie man es sich vielleicht denkt, dass wir ein halbes Jahr zu Hause sind und proben, uns vorbereiten, die Ansagen vor dem Spiegel üben und dann auf Tour gehen und das präsentieren. Wir sind wirklich von der „Dead Man’s Voice“-Tour, die Ende Juli endete, in die „One More For The Road“, wo die Platte im August rauskam, übergegangen. Also eine richtige Vorbereitung gab es in dem Sinne nicht.

L.C.: Und die vorherige Tour?

Timmy: Das war unsere erste richtige Tour, da war natürlich alles zu tun. Man musste Equipment aufstocken, denn wenn die Läden größer werden, muss man mehr Zeug mitbringen. Man übt, dann haben wir eine Crew zusammengestellt, an der Show gearbeitet. Obwohl wir arbeiten in der Nachbereitung sehr viel. Wir sprechen nach der Show und da wir so viel spielen entwickeln wir das quasi von Gig zu Gig weiter.

L.C.: Gibt es irgendein Land in dem ihr besonders gerne mal spielen würdet?

Timmy: USA glaube ich. Da haben wir noch nicht gespielt. Ich bin zwar schon öfter da gewesen und habe auch viele Songs für die Alben dort geschrieben, aber wir haben jetzt noch nicht mit den Roses dort gespielt. Das ist auch logistisch gar nicht so einfach wie in Europa. Hier kann man überall hinfahren mit seinem Zeug und in die USA muss man das dann irgendwie verschiffen oder dort mieten. Die Entfernungen sind viel größer. Man glaubt das nicht wie viel größer die sind, man fährt da zwischen den Shows 13-14 Stunden hin und her, das muss man auch mit auf dem Schirm haben. Das muss geplant sein, aber es wird definitiv passieren, wir arbeiten schon an dem Plan. Ob nächstes oder übernächstes Jahr…wir sind dran. Und wenn wir uns was vornehmen, dann machen wir das auch.

L.C.: Wollt ihr eure Fans zu irgendwas inspirieren? Wenn sie zu euren Shows gehen, oder eure Alben hören…

Timmy: Ich weiß nicht, wie die anderen über gewissen Sachen denken und will da auch keinem über den Mund fahren, deswegen sag ich es mal wie ich es sehe. Ich finde unsere Message ist, dass man gut leben kann mit dem was man tut, wenn man das gerne macht. Wenn man daran glaubt und sich den Arsch für aufreißt natürlich. Wie gesagt, uns haben alle gesagt Rock’n‘Roll ist tot, lass‘ das einfach sein, mach‘ auf Deutsch, mach‘ bei „Voice Of Germany“ mit. Das waren immer diese typischen Reden und immer dieselben Gespräche. Wir haben es so gemacht, wie wir es wollten, haben alles selbst gemacht, selbst finanziert und jetzt sind wir hier. Man darf auch ruhig man selbst sein. Wir schminken uns ja nicht oder ziehen uns irgendwelche Verkleidungen an, was ja viele Bands mittlerweile machen. Wir sind einfach eine Rock’n’Roll Band, spielen Rock’n’Roll und fertig. Das ist wer wir sind und wenn man jetzt von einer Message reden kann oder irgendetwas Inspirierendem, dann wäre es: Wenn du eine Idee hast von etwas, das du gerne wärst, dann mach‘ das einfach und lass‘ dir nicht reinreden von irgendwelchen Leuten die sagen, es geht nicht. Seit ich 12 bin will ich das machen und bis vor kurzem hat jeder gesagt, dass das nichts bringt. Man darf sich nicht vor Kritik verschließen, man muss zuhören und für sich selbst entscheiden was stimmt und was Quatsch ist. Ich sage das jedem: Du willst eine Weltreise machen? Dann mach‘ es jetzt!

L.C.: Du hast „The Voice“ angesprochen, wäre das eine Option gewesen?

Timmy: Nein, das war noch nie eine Option für mich. Allein der Name hat mich schon immer total abgestoßen. Ich bin doch nicht einfach nur eine Stimme ohne Gesicht, ohne Nachricht, ohne Charakter! Ich bin doch nicht einfach „The Voice Of Irgendwas“, ich bin ich! Ich habe eine Message, ich habe Songs, ich bin, sage ich mal, ein Gesamtkunstwerk. Meine Songs, meine Alben, alles zusammen ergibt ja erstmal meinen Charakter. Und ich habe eine Band bzw. bin Teil einer Band. Die müsste man ja dann einfach da stehen lassen und das gehört auch nicht in meine Idee, zumindest nicht, wenn es mir jemand befiehlt. Dieser ganze Hocus Pocus da, das hat doch mit Musik nichts zu tun! Das ist einfach Quatsch. Und der alltägliche Konsument, der hockt sich doch jetzt auch nicht hin und sucht im Internet oder Plattenläden richtig geile Singer und Songwriter. Der schaltet den Fernseher an und sucht sich aus den fünf mittelmäßig guten Sängern, den raus, den er am schönsten findet. Der stellt das gar nicht in Frage, ob es da noch mehr gibt oder stellt das in Relation zum Rest der Musikwelt. Und wenn du dann noch diese Juroren siehst, das sind alles nette Kerle privat, ich möchte da keinem zu nahe treten, aber die machen sich da ja auch zum Affen im Fernsehen. Die profilieren sich nur selbst und machen Werbung für ihr neues Album. Das hat für mich mit dem Sprit vom Musik machen – also ich schreibe meine Gefühle auf und singe die – nichts zu tun.

L.C.: Gibt es ein bestimmten Gefühl, das du in einem Song verarbeitet hast, also hast du mal ein Beispiel?

Timmy: Alles, klar! „One More For The Road“, der Titelsong vom neuen Album, ist ein Song über das ständige unterwegs sein und diese Zerrissenheit zwischen „Ich finde es voll geil und will gar nicht mehr nach Hause“ und „ Ich muss unbedingt nach Hause, weil ich hier durchdrehe“. „My Own Worst Enemy“ auf dem neuen Album ist ein Song über ebendieses Zerrüttete, in dem man eigentlich innerlich rebellisch ist, bewegt sich aber automatisch in eigengebaute kleine Grenzen und Gefängnisse hinein indem man Beziehungen führt, Verträge unterschreibt, oder sonst irgendwas macht. Da ist man auch ständig hin-und hergerissen und deswegen geht „My Own Worst Enemy“ darüber, dass die eigenen Entscheidungen immer Konsequenzen haben und man damit klar kommen muss. Jedes Gut bringt immer ein Übel mit sich, man bekommt nichts umsonst, man muss immer etwas eintauschen. Auf dem ersten Album, „Without A Trace“, der Titelsong, ist ein Song über einen Soldatenfreund vom U.S. Militär. Der war in Afghanistan stationiert und als es da richtig rund ging, war ich sehr besorgt und habe ihm den Song geschrieben und geschenkt. Erst später – ich wollte den nie veröffentlichen – als die Band gesagt hat, das ist ein Hammer Song, habe ich meinen Kumpel um Erlaubnis gefragt, ob ich den Song benutzen darf. Ich schreibe nicht über pinke Einhörner oder irgendwelche Wikingergeschichten, wie das in manchen Sparten so üblich ist, sondern ich mache mir Gedanken über mein Leben oder Sachen, die ich sehe und schreibe das auf. Eigentlich hat jeder Song mit Sachen zu tun, die man erlebt, weil ich vom Songwriting her eigentlich eher aus der Countrymusik komme. Dieses Storytelling steht bei mir ganz oben, deswegen schreibe ich auch ganz wenig über Party, Women, Whisky and Wine, also diese typischen Rockthemen.

L.C.: …und mit „Life Ain’t Easy“ habt ihr ja einen Song geliefert, der eine Hymne für ungefähr jeden „Boy With Long Hair“ ist.

Timmy: Das ist ein Song über meine Schulzeit. Damals hatte ich aber, muss ich gestehen, nicht wirklich lange Haare, sondern Haare wie Elvis bis ich 15 oder 16 war und hatte auch immer den Kragen hoch gestellt. Als ich in die Grundschule kam, da hatte ich das auch schon so und da kamen gerade die Backstreet Boys raus. Dann ist da jeder so rumgelaufen mit Mittelscheitel und blond gefärbten Haaren. Dieses Milchbubi-Ding war voll in. Mit meiner Elvis-Frisur habe ich da jeden Tag auf die Fresse gekriegt. Aber ich fand das irgendwie cool und habe das weiter durchgezogen. Als ich dann meine erste Band gegründet habe, haben sich auch alle gefragt, ob ich noch ganz sauber bin, weil ich am Wochenende immer weg war. Ich war nie mit auf diesen ganzen Parties wo dann alle hingegangen sind. Ich stand im Proberaum und hatte einfach meinen eigenen Lebensrhythmus. Ich habe natürlich viel gefeiert, aber nicht auf irgendeiner Abi-Party oder sonst irgendwas. Und als dann alle studiert haben, habe ich auch Rock’n’Roll gemacht. Ich habe zwar auch Musik studiert, aber ich war nie auf irgendwelchen Studentenparties. Das was andere gemacht haben, habe ich grundsätzlich nie mitgemacht. Nicht weil ich cooler bin als die anderen, sondern weil ich einfach meinen eigenen Groove hatte. Ich habe immer live gespielt und habe mein Leben da drum gebaut und wurde dafür erstmal ausgelacht. Ich denke, „Life Ain’t Easy“ ist deswegen unser erfolgreichster Song, weil sich viele damit identifizieren können. Es ist nicht nur ein Lied für „Boys With Long Hair“, sondern für alle, die merken „es passt alles nicht so zu mir“ …einfach stumpf ein bestimmtes Smartphone zu holen, weil es alle haben, einfach etwas anzuziehen, weil es alle haben, oder irgendeine Musik zu hören, weil es jeder hört. Wenn man merkt „irgendetwas in mir sagt, ich bin anders“, sollte man sagen „scheiß‘ drauf, ich mach’s einfach“. Damit geht es dir tausend Mal besser, als wenn du mit allen zusammen etwas machst, was dir nicht gefällt. Das ist jetzt auch keine neue, super Erkenntnis, nur nochmal neu in Szene gesetzt und mit ein bisschen Humor (wie auch das Video).

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