(Metal Mayhem, 2000)
Was waren das für Zeiten, als man CDs und LPs mit bestem Gewissen anhand der Hülle gekauft hat. So wusste ich auch bei White Widow’s (nicht mit den ‚neuen’ Australiern White Widdow zu verwechseln) Cover zu „Turn It Up“, was mich erwarten würde. Aus einem auf dünnstem Papier gedruckten Mailorderkatalog bestellt, landete das scheinbar sechste Release aus dem damals recht jungen Hause Metal Mayhem vor über zehn Jahren in meinem CD Player.
Das wichtigste vorab: auf „Turn It Up“ bieten White Widow hochwertigen ‚haarigen’ Hard Rock, der damals – im Jahr 2000 – in etwa die Härte heutiger Dokken Alben hatte, dazu ein Sänger, der an eine Mischung aus Sebastian Bach und Bruce Dickinson erinnert. Hier lässt sich wohl auch der beste Vergleich ziehen: wer Dickinson’s „Tattooed Millionaire“ kennt, bekommt einen recht guten Eindruck von White Widow, die aber meines Erachtens noch etwas melodischer herüberkommen.
Der Opener „Greatest Show“ liefert typische 80er Gallopp-Riffs, fette Chöre, hohe Screams und die nötige Power, die beweist, dass die Musiker auch wirklich meinen, was sie sagen – bzw. singen. „Love Comes, Love Goes“ hat dann den klassischen Sound aus frühen Ratt Tagen, der catchige Chorgesang steuert eine Portion Pop mit bei, die aber auf Grund des kraftvollen Sounds und der rauen Stimme von Sänger Brian Spindler niemals ins kitschige abrutscht.
Mit Akustikgitarren geht es bei „Fallin’ In And Out Of Love“ weiter, der Ballade des Albums, die auch Virgin Steele gut zu Gesicht gestanden hätte. Ein weiteres Highlight ist die Coverversion des Johnny Kidd Rock and Roll Klassikers „Shakin’ All Over“, die durch ordentlichen Drive hervorsticht, sowie durch Gesangslagen, die selbst Jim Gillette zum Grübeln bringen dürften.
„Time, Time“ ist dann ein leicht progressiv angehauchter Song, der sehr balladesk und atmosphärisch mit Akustikgitarren beginnt und dann in einen melodischen Groove-Rocker mündet, der wie alle Songs seine Härte durch den Gesang erhält, während ihn die Chorgesänge auf dem Boden der Eingängigkeit halten.
Der folgende Titeltrack „Turn It Up“ dürfte wohl in den Augen und Ohren der (hoffentlich wenigen) Hair Metal Zweifler der seriöseste Song auf dem Album sein. Tempo, Harmoniegitarren sowie die Melodieführung erinnern durchaus an Iron Maiden, doch dann steigt plötzlich eine Slidegitarre mit ein, die wiederum dem Cinderella Fan im Stil von „Hell On Wheels“ die Hand reicht (na, wie habe ich das gesagt?).
Gut, jetzt bin ich schon fast durch, kommentiere ich also die verbleibenden Songs ebenfalls. „Something That You Do To Me“ ist wohl der melodischste Rocksong auf dem Album. Poppige Melodien eingebettet in harte Rockgitarren – erinnert vielleicht ein wenig an Steelheart. „All Dressed Up“ hat dann einmal ein paar dominantere Keyboards zu bieten, die auf dem gesamten Album übrigens nur in minimal notwendigen Dosen vorkommen. Auch wenn der Vergleich stilistisch sehr weit hergeholt ist, fällt mir hierzu „So Many Seasons“ von Tuff ein, nur dass White Widow qualitativ noch zwei Schippen drauflegen.
Die richtige Abgehnummer findet der geneigte Headbanger in „Hangin’ Bangin’“, einem coolen Riffrocker, der allerdings durchaus einen besseren Chorus vertragen hätte. Mit „United We Stand“ huldigen White Widow allen früheren und künftigen U.S. Soldaten. Hier vereint die Band Steelheart’sche Melodien, Chorgesänge im Stryper Stil, Akustische Singer-Songwriter Gitarren, verzerrte Metal Sounds, ein Bisschen Ratt, etwas Priest, wieder eine Portion Maiden und gar – im Intro – eine dezente Anlehnung an „Young Gods“ von den Little Angels.
Wie Anfangs schon erwähnt, ist „Turn It Up“ ein melodisches Hard Rock Album mit Betonung auf „Hard“, das bestens als Beleg dafür dient, dass Hair Metal über viel Substanz und hohe musikalische Qualität verfügt. Aufgenommen wurde das Album übrigens in den legendären Paisley Park Studios, wenngleich deren Besitzer Prince nicht an der Produktion beteiligt war.
Julian Angel
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Julian Angel ist Mastermind der deutschen Hair Metal Band Beautiful Beast, deren drittes Album ‚Kick Down The Barricades’ am 24. Januar 2014 erscheinen wird.
www.beautifulbeastrock.com
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